Der Rheinisch-Bergische Kreis ist seit 2021 BNE-Modellkommune und verfolgt einen integrierten Ansatz zur Implementierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in die unterschiedlichen Bildungsbereiche der Bildungsregion. Eva Kaufmann ist als pädagogische Mitarbeiterin für das Regionale Bildungsnetzwerk tätig. Timo Ackermann wurde 2023 zur Koordination des Themas Medienbildung im Kreis eingestellt. Beide Stellen sind im Amt für Bildung und Integration angesiedelt. Gemeinsam widmen sie sich dem Aufbau und der Weiterentwicklung der Bildungslandschaft. Wie sie dabei die Verschränkung mit Bildung für nachhaltige Entwicklung gestalten, berichten Sie im Interview.
Im Rheinisch-Bergischen Kreis wird bereits an vielen Stellen daran gearbeitet, Bildung zukunftsfähig zu gestalten. Welche Rolle spielen Medienkompetenz und Digitalisierung dabei Eurer Meinung nach für die Bildung für nachhaltige Entwicklung?
Timo Ackermann: Medienkompetenz und digitale Bildung sind sehr wichtig, weil Lebens- und Arbeitswelten immer digitaler werden. Die Zukunft der Schülerinnen und Schüler von heute ist eng mit der Digitalisierung verknüpft. Wir wissen noch nicht genau, mit welchen Herausforderungen sie irgendwann umgehen müssen. Wichtig für uns ist es aber im kreisweiten Netzwerk, so früh wie möglich Medienkompetenz als Bestandteil benötigter Future Skills innerhalb und außerhalb von Schule zu fördern. Die Region hat der digitalen Bildung als Handlungsschwerpunkt im Bildungsnetzwerk eine hohe Priorität zugeschrieben, um Schülerinnen und Schüler im Kreis auf zukunftsfähiges Denken und Handeln in der digitalen Welt vorzubereiten. Digitale Bildung verstehen wir dabei als einen wichtigen Aspekt einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, wenn sie entsprechend gestaltet wird. Und gleichzeitig bietet BNE mit ihrer Vielfalt so viele Themen und Inhalte, die auch in der Medienkompetenzförderung eine Rolle spielen und aufgegriffen werden können.
Eva Kaufmann: Medienkompetenzförderung ist sicherlich die große Baustelle unserer Zeit. Die Verschränkung mit BNE kann hier gute Antworten bieten. Bei der Umsetzung unserer verschiedenen Aktivitäten und Angebote für Schulen in der Region orientieren wir uns vor allem am Medienkompetenzrahmen NRW mit seinen sechs Säulen. Es geht uns bei unserer Arbeit im kreisweiten Mediennetzwerk um die Förderung von Medienpädagogik und vor allem um die Förderung von Urteilskompetenz im heutigen digitalen Zeitalter. Jungen Menschen soll dabei ein reflektierter, verantwortungsvoller, selbstbestimmter und produktiver Umgang mit Medien und digitaler Technik ermöglicht werden. Weg vom reinen Konsum und hin zum Gestalten, lautet das Kredo, das sich die Region im Rahmen ihrer Bildungskonferenz zu der Thematik „Digitale Bildung“ gegeben hat.
Timo Ackermann: Richtig. Wir möchten den Kindern und Jugendlichen mit unseren kreisweiten Angeboten ermöglichen, selber in die Produzentenrolle zu kommen und dabei die Geheimnisse der digitalen Welt ein bisschen zu „entzaubern“. Denn wenn man selbst in die Rolle kommt, zu gestalten, dann beginnt man zu reflektieren. Die Schülerinnen und Schüler erkennen: Es ist gar nicht so schwierig, dass selbst zu machen und können merken, wie schnell man manipuliert werden kann und auch selbst manipulieren könnte.
Eva Kaufmann: Mit einer Landesförderung haben wir nun im Rheinisch-Bergischen Kreis die Gelegenheit bekommen, Lernorte technisch auszustatten. Dazu nehmen wir am Landesprogramm „Digital Making Places“ teil. In den Digital Making Places sehen die Kinder und Jugendlichen beispielsweise beim Einsatz einess Greenscreens, dass mediale Wirklichkeit eine aktiv gestaltete virtuelle Wirklichkeit ist hinter der ein Autor oder eine Autorin steckt.
Timo Ackermann: Zusammenfassend heißt Medienkompetenz für uns in der Region also nicht nur, mit den technischen Geräten und Medien umzugehen, sondern einen kritischen Medienumgang zu lernen und Informationen zu hinterfragen.

Mit dem Landesprogramm Digital Making Places habt Ihr ganz aktuell neue zusätzliche Ressourcen für die digitale Bildung gewonnen. Wie können der Aufbau, die Nutzung und Weiterentwicklung der Digital Making Places kooperativ umgesetzt werden? Welche Rolle spielen Akteure in der Bildungslandschaft dabei und welche Rolle kann die Kommunalverwaltung einnehmen?
Timo Ackermann: Das gesamte Projekt „Digital Making Places“ ist bei uns in der Region ein Netzwerkprojekt. Aus historisch bedingten Gründen haben wir im Rheinisch-Bergischen Kreis kein kreisweites Medienzentrum. Das heißt, wir konnten als Kreisverwaltung das Projekt gar nicht allein durchführen und haben die Umsetzung des Angebotes von Anfang an Schritt für Schritt mit unseren Netzwerkpartnern im Bildungsnetzwerk entwickelt.
Dadurch haben wir es geschafft, dieses Projekt im Kreis direkt zu Beginn an sogar mit drei dezentralen Standorten umzusetzen – in Räumlichkeiten unserer Partner wie Kommunen und Kreishandwerkerschaft. Jetzt werden wir es weiter inhaltlich und organisatorisch ausbauen und nach und nach die Nutzungsmöglichkeiten für die Region erproben..
Eva Kaufmann: Anfangs hatten wir ein paar Schwierigkeiten, weil wir unseren Netzwerkpartnern das Vorhaben nicht richtig erklärt haben. Denn das ist das Entscheidende: In dem Moment, in dem die Leute verstanden haben, worum es geht und es zu ihrer eigenen Sache machen, fangen sie an mitzuarbeiten und mitzugestalten. Und das ist das tolle! Dafür brauchte es ganz viel Kommunikation.
Timo Ackermann: Ja, das ist es! Zu kommen und zu sagen: „Wir haben das und das ganz konkret im Gepäck - wir haben ein Angebot, das du mitgestalten und vor Ort nutzen kannst!“ Das macht ganz viel aus.
Eva Kaufmann: Das stimmt. Und wir haben dadurch erst gesehen, welche Ressourcen wir zu der Thematik in unserem Kreis an den verschiedenen Standorten im Kreisgebiet bereits haben. Und es gibt unheimlich viel! Viele Menschen, die tolles können. Das haben wir aufgegriffen für die Digital Making Places und haben es „Mensch-Maschine-Matching“ genannt: wir haben Material und müssen es zu den passenden Menschen bringen.
Meine Wahrnehmung ist, dass vielerorts an verschiedenen Stellen Leute für sich am selben Problem arbeiten. Da kann der Aufbau von Netzwerkstrukturen helfen, die Herausforderungen gemeinsam zu meistern, zum Beispiel durch den Austausch von Erfahrungen, Kenntnissen und die Bündelung von Ressourcen.
Unser Ansatz im Rheinisch-Bergischen Kreis ist es dabei seit vielen Jahren, vorhandene Ressourcen zu bündeln und gezielt über unsere Netzwerke in die Schulen zu bringen, wie zum Beispiel die Projekte „Digital Making Places“ oder „Medienscouts“. Darüber hinaus gibt es auch regionale Unterstützungsmöglichkeiten durch Beratungsstellen und andere außerschulische Einrichtungen. Ziel ist es immer, alle relevanten schulischen und außerschulischen Akteure untereinander zu vernetzen, um den notwendigen Wissens- und Kompetenztransfer zu erzeugen.
Welche Tipps habt Ihr für Kommunen, die Digitalisierung und Bildung für nachhaltige Entwicklung verschränken möchten?
Eva Kaufmann: An erster Stelle steht der Perspektivwechsel, der vollzogen werden muss.
Timo Ackermann: Dieser Perspektivwechsel war auch bei uns ein längerer Prozess. Das geht nicht von jetzt auf gleich. Man muss sich mit dem BNE-Begriff auseinandersetzen und herausfinden, wie vielfältig BNE ist und dass sie weit über die ökologischen Aspekte hinausgeht. Dann erkennt man, dass sich die Arbeit, die man schon macht – insbesondere auch im Bereich der Digitalisierung - gut mit BNE verbinden lässt. Wenn man das geschafft hat, kommt man erst darauf, was alles möglich ist. Zudem hilft BNE auch, die Arbeit, die man macht, mit relevanten Inhalten aufzuwerten. Es ist ein Unterschied, ob ich sage, „Wir lernen jetzt programmieren“ oder, „Wir bauen unser selbst automatisiertes Bewässerungssystem“. Man braucht einen Inhalt, ein Thema, eine Geschichte. Und das alles liefert BNE, wie eben schon gesagt. Wenn man das verbindet, dann wird die Technik in unseren Digital Making Places zur Nebensache.
Eva Kaufmann: Richtig, dann ist die Technik Mittel zum Zweck und dann erreiche ich auch andere Zielgruppen, die ich vorher vielleicht nicht erreicht habe.
Entscheidend ist auch sich zu fragen, welche Themen die Netzwerkpartner bewegen: Bei der BNE muss man wegkommen von ganz klassischer Umweltbildung, denn dieses Verständnis von BNE herrscht weiterhin an vielen Stellen vor. Man muss sich die Zeit nehmen zu prüfen, was BNE alles beinhaltet und den passenden Anknüpfungspunkt finden. Ich muss BNE so verpacken und kommunizieren, dass es passt, zum Beispiel als zukunftsfähige Bildung.
Timo Ackermann: Bei uns waren es die Aspekte der Zukunfts- und Visionsorientierung, Partizipation und vernetztes Lernen. Die haben in unserer Arbeit für die Region eine große Bedeutung und über diese Zielsetzungen der BNE haben wir unseren Zugang gefunden.
Eva Kaufmann: Jetzt haben wir zum Beispiel den Auftrag in unserem Bildungsnetzwerk erhalten, das Thema Demokratiebildung stärker in den Fokus zu nehmen und zu fördern. Und auch das ist BNE. Man muss BNE eben so verstehen und kommunizieren, dass sie in die Situation passt, in der sich die Kommune befindet.
Wichtig ist es dann, ziel- und ressourcenorientiert zu schauen: Mit wem kann ich am gemeinsamen Ziel zusammenarbeiten und mit wem vielleicht auch nicht? Das erfordert viel Kommunikation und man muss den Partnern gut zuhören. Wenn die Partner ein Projekt zu ihrer eigenen Sache machen, wird die gemeinsame Arbeit an BNE zum Erfolg!
Das Interview führte Silvia van Geel am 3. Februar 2025.
Kontakt
Eva Kaufmann & Timo Ackermann
Eva Kaufmann
pädagogische Mitarbeiterin für das Regionale Bildungsnetzwerk
eva.kaufmann@rbk-online.de
Timo Ackermann
Koordinator Netzwerk Medienbildung
timo.ackermann@rbk-online.de
Regionales Bildungsnetzwerk Rheinisch-Bergischer Kreis:
bildungsnetzwerk@rbk-online.de

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