Schulgebäude

Ganztagsschule und BNE

Aufgaben und Handlungsspielräume der Kommune

Der Ganztag als kommunale Herausforderung

Für Städte und Landkreise ist die Bewältigung der Aufgaben, die mit dem am 11. Oktober 2021 verkündeten „Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz - GaFöG)“ einhergehen, eine große Herausforderung. Kommunen müssen bis 2026 als Verantwortliche für die äußeren Schulangelegenheiten (vgl. Avenarius & Füssel, 2010) die Rahmenbedingungen schaffen, um die entsprechenden Bestimmungen umzusetzen.

Vor dieser Ausgangslage ist es nicht verwunderlich, wenn sich viele Kommunen verstärkt auf ihre Pflichtaufgaben – zu denen auch der Ausbau von Ganztagsangeboten gehört – konzentrieren. Freiwillige Aufgaben – zu der auch BNE gehört – werden daher häufig nicht mit Vorrang bearbeitet. Dass dies problematisch ist – gerade vor dem Hintergrund der großen Menschheitsherausforderungen (z. B. Klimawandel, dem Verlust von Biodiversität, Notwendigkeit des Kompetenzaufbaus zur Bewältigung der Herausforderungen etc.) liegt auf der Hand. Dennoch haben kommunale Verwaltungen nur begrenzt Ressourcen und müssen priorisieren.

Vor diesem Hintergrund soll der Text aufzeigen, wie BNE für den Ausbau des Ganztags genutzt werden kann bzw. umgekehrt der Ganztagsausbau ein Vehikel für BNE sein kann.

Gestaltungsmöglichkeiten für Kommunen als Schulträger

Kommunen haben als Schulträger grundsätzlich die Pflicht, die äußeren Rahmenbedingungen für den Betrieb von Schulen sicherzustellen (Avenarius & Füssel, 2010).

Das umfasst unter anderem:

  • den Bau und die Instandhaltung der Schulgebäude,
  • die Einstellung und Finanzierung des Personals jenseits der Lehrkräfte (z.B. Verwaltungspersonal, aber auch zusätzliches pädagogisches Personal wie Schulsozialarbeiter usw.)
  • die Deckung des Sachbedarfs der Schule (Innenausstattung; Lehrmittel; IT-Technik)
  • die Schüler:innenbeförderung (Freese & Schwarting, 2019; Avenarius & Füssel, 2010)

Der kommunalen Verwaltung fällt im Rahmen der Bewirtschaftung der Ganztagsfördermittel eine zentrale Steuerungsfunktion beim Ausbau der Ganztagsschule zu. Ganztagsschulen brauchen erweiterte Raumkonzepte, beispielsweise für Mensen oder Räume für musikalische, künstlerische und sonstige Angebote (Freese & Schwarting, 2019). Mit diesem Verantwortungszuwachs für kommunale Verwaltung im Bildungsbereich geht aber auch ein Mehr an Gestaltungsmöglichkeiten einher.

Die kommunale Verwaltung kann mit der Einführung des Ganztags und der damit einhergehenden Neukonzeptionierung bisheriger Aufgaben der Sachaufwandsträgerschaft starken Einfluss auf die (nachhaltige) Gestaltung der Infrastruktur der Schule nehmen. Dies ist aus pädagogischer Sicht sinnvoll (vgl. Was ist der Whole Institution Approach?) und kann zudem langfristig dazu beitragen, Kosten zu senken – beispielsweise des Ressourcen- und Energieverbrauchs oder bei der Entsorgung von Abfällen (vgl. z.B. das Projekt fifty-fifty-Aktiv der Landeshauptstadt München). Notwendige Anpassungen in kommunalen Steuerungsprozessen bieten die Möglichkeit, Prozesse der Beschaffung nachhaltiger zu gestalten: Material (Unterrichtsmaterial, Reinigungsmaterial, Einrichtungsgegenstände) ebenso wie die Mittagsverpflegung können nach nachhaltigen Kriterien eingekauft werden. Wenn diese Maßnahmen im Schulleben sichtbar sind und in den pädagogischen Angeboten des Ganztags besprochen werden, haben sie einen hohen Alltagsbezug und vermitteln nachhaltiges Handeln im Sinne des Whole Institution Approaches in der unmittelbaren Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern.

Neben der Förderung und Unterstützung von Kooperationen im Rahmen des Ganztags (siehe dazu weiter unten) können weitere Maßnahmen durch den Ganztagsausbau angestoßen werden: Die Kommunen können Steuerungs- und Planungsgremien für die Ganztagsschulentwicklung initiieren oder bestehende Gremien dafür nutzen und dabei BNE zu einem festen Bestandteil der Ausgestaltung von Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung machen. 

Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit für Kommunen liegt im Bereich Personal. Bei eigener Zuständigkeit – hier gibt es landesspezifische Unterschiede – können Kommunen in Personalfragen Qualitätsstandards entwickeln. Sie können beispielsweise Personalschlüssel oder Mindestqualifikationen festlegen und gezielt Personal mit Kompetenzen im Bereich der Bildung für nachhaltigen Entwicklung gewinnen. Dieses kann wiederum sowohl die Schulen bei ihrer Arbeit unterstützen und gleichzeitig Nachhaltigkeit im Ganztag implementieren.

Anregungen und Beispiele

Vernetzung im Ganztag als Chance für BNE

Eine der großen Herausforderungen für eine flächendeckende Versorgung mit Ganztagsangeboten ist die dafür notwendige Verfügbarkeit von pädagogischem Personal.  Genau an diesem Punkt besteht die Möglichkeit gerade über das BNE-Thema schulexterne Ressourcen für die Umsetzung des Ganztags zu gewinnen. Indem das Knowhow externer wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen in den Schulkontext eingebunden wird, kann so gleichzeitig die Transformation der Schulen hin zu mehr Nachhaltigkeit vorangetrieben werden. Dabei hat die kommunale Verwaltung einen großen Handlungsspielraum z.B. bei der Förderung und Koordination dieser Zusammenarbeit und dem Aufbau von Vernetzungsstrukturen. 

Gerade im Ganztag bieten sich durch das Mehr an Zeit im Tagesablauf vielfältige Potenziale, die häufig durch zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure bereitgestellten Angebote im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung für den Ganztag zu nutzen, auch außerhalb der Schulräume. Bildlich schreibt dazu etwa die Homepage der Serviceagentur Ganztag Hessen: „Der Imkerverein, der Gemeinschaftsgarten, der Waldpädagoge oder der Eine-Welt-Laden können feste Partner im Ganztagsangebot einer Schule werden”. So kann gleichzeitig die Vernetzung im Nahraum und die Kompetenzentwicklung hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung in der lokalen Bürgerschaft gestärkt werden. Andersherum erschließen sich die zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure neue Handlungsfelder und Zielgruppen hinsichtlich BNE. 

 

Der Mehrwert für die Schulen besteht darin, dass diese Unterstützung bei der Gestaltung des Ganztags erhalten. Lokale Partner wie Museen, Bibliotheken, Sportvereine und Umweltorganisationen können einbezogen werden, um das Plus an Lernraum und Zeit abwechslungsreich und interessant zu gestalten. So können Schülerinnen und Schüler außerhalb der 45-Minuten-Restriktion und der strikten Fächertrennung Projekte durchführen, die auf die Prinzipien der Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, wie zum Beispiel Umweltprojekte, Projekte zu gesunder Ernährung, sozialem Engagement und interkulturellem Austausch. 

Mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung im Ganztag fördert Partizipation und das Erlernen von Teilhabe, wenn Schülerinnen und Schüler sowohl in der Auswahl der Projekte eingebunden sind als auch die Angebote selbst partizipativen Lernsettings zur Verfügung stellen. Durch die stärkere Offenheit im Ganztag könnten zudem auch Eltern stärker eingebunden werden in die Gestaltung von Schulalltag und Lerninhalten.

Anregungen und Beispiele

Praxisbeispiel Stuttgart: Mit BNE Synergieeffekte für den Ganztag erzielen

Ein Beispiel wie BNE im Ganztag gewinnbringend für alle Beteiligten umgesetzt werden kann, ist der Ansatz der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart. Hier wird im Sinne des Whole Institution Approaches der ganzheitliche Weg beschritten, BNE nicht nur inhaltlich-thematisch zu vermitteln, sondern über die Infrastruktur und das Schulleben direkt erfahrbar zu machen. Dies gelingt etwa über schulweite und gemeinsam erarbeitete Konzepte und deren Umsetzung von Energiesparmaßnahmen, Abfallreduzierung, Anlage und Pflege von Schulgärten etc. Der Fokus liegt dabei momentan auf den ökologischen Aspekten von Nachhaltigkeit; langfristig sollen Aktivitäten die Ganzheitlichkeit nachhaltiger Entwicklung stärker in den Mittelpunkt rücken.

Das Besondere in Stuttgart: Die Landeshauptstadt unterstützt vor allem BNE-Aktivitäten im Ganztag. Über die Förderung „Naturzeiten im Ganztag“ können Ganztagsgrundschulen und Trägern des Ganztags Aktivitäten im und außerhalb des Unterrichts sowie während der Ferienzeiten finanziert werden. Das Stuttgarter Schulverwaltungsamt koordiniert die Förderung gemeinsam mit der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaften. Die Förderung wird, insbesondere durch die beteiligten (freien) Träger, sehr gut angenommen.

Fördermöglichkeiten

Das seit Juni 2024 eingerichtete Förderprogramm „Ganztag in Bildungskommunen“ des BMBF fördert anteilig Koordinierungsstellen in der kommunalen Verwaltung, um den Ausbau von Angeboten zur Gestaltung der Ganztagsbetreuung zu unterstützen.

Aus der Perspektive der Kommune lohnt sich auch der Blick auf die Landesebene. Oftmals bieten Kultus- oder Umweltministerien weitere Unterstützungs- und Vernetzungsangebote, die über eine Zuständigkeit hinsichtlich der Finanzierung und Setzung der rechtlichen Rahmenbedingungen hinausgehen. So hat das Land Baden-Württemberg ein BNE-Schulnetzwerk gegründet. In Niedersachsen wurden im Rahmen des sogenannten BNE-Erlasses spezielle BNE-Ansprechpersonen an den Schulen eingerichtet. Weitere wertvolle links aus den Bundesländern finden Sie in der Linkliste (s. Anhang).

Ganztag und BNE: Eine Win-Win-Situation

Wenn Sie im Ausbau der Ganztagsangebote dem Bereich BNE mehr Raum geben wollen, kann ein erster sinnvoller Schritt sein, mit einer konkreten Schule zu starten, in der Sie bereits engagierte Schulleiter:innen, Lehrkräfte, Eltern oder Bildungspartner kennen. Gemeinsam kann ausgelotet werden: Welche BNE-Bildungsangebote nutzen wir schon? Wie können wir diese stärker in den Ganztag einbinden? Welche weiteren Bildungsanbietende kennen Sie aus Ihrer Tätigkeit, z.B. im Bildungsmanagement, heraus und wie können diese in den Ganztag integriert werden?

Ein weiterer Hebel ist der ganzheitliche Ansatz des Whole Institution Approaches: Wie lebt die Schule Nachhaltigkeit selbst als lernende Institution – an welchen Stellschrauben kann noch gedreht werden (z.B. Müll, Energie, Schulessen) und wie können Sie als Ansprechpartner:in in der Kommunalverwaltung hier unterstützend tätig sein, etwa durch Änderungen im Beschaffungswesen, durch erweiterte Raumkonzepte oder durch Lehrkräftefortbildungen?

Mit der stärkeren Einbindung außerschulischer Bildungsakteur:innen und der Umsetzung des Whole Institution Approach ist die Integration von BNE in den Ganztag im Grunde eine vierfache Win-Win-Situation: für die Schule, die konkrete Unterstützung erhält; für die zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, die sich neue Zielgruppen für ihre Angebote erschließen; für die kommunale Verwaltung, die über den Ganztag BNE weiter in der kommunalen Bildungslandschaft implementieren kann und für den notwendigen Übergang in eine nachhaltige Gesellschaft, der durch einen Schwerpunkt von BNE im schulischen Ganztag noch mehr Schubkraft erhalten kann.



Literatur

Avenarius, H., & Füssel, H.-P. (2010). Schulrecht. Ein Handbuch für Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft. Kronach: Carl Link.

Deutsches Institut für Urbanistik. (2023). OB-Barometer 2023. Nerlin: Deutsches Institut für Urbanistik.

Freese, J., & Schwarting, G. ( 2019). Grundwissen Kommunalpolitik: 11. Schule, Kultur, Sport. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.

| Lea Schütze, Jörg Eulenberger, Tibor Manal