Die Bedeutung von Wissen für den BNE-Prozess
Der vorliegende Text soll kommunalen Akteurinnen und Akteuren helfen nachzuvollziehen, welche Arbeitsschritte nötig sind, um eine Wissensbasis zu BNE in der Kommune zu schaffen und Ansatzpunkte zu finden, wie das Handlungsfeld "Wissensbasierung und Berichterstattung" weiterentwickelt werden kann. Die Grundlage bilden Ergebnissen der Prozessevaluation des BNE-Kompetenzzentrums. Zunächst werden der Ist-Stand in den Modellkommunen dargestellt und Herausforderungen in der Umsetzung in diesem Themenfeld aufgezeigt. Davon ausgehend werden konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie diese Herausforderungen in den Kommunen bearbeitet werden können.
Eine fundierte Wissensbasis zum kommunalen BNE-Prozess kann als ein wichtiger Baustein für die Verankerung von BNE angesehen werden. Dies geht auch aus den Befragungen hervor, die im Rahmen des bundesweiten Modellprojektes BNE-Kompetenzzentrum Bildung | Nachhaltigkeit | Kommune durchgeführt wurden. So gaben 93 % der Befragten in der quantitativen Expertenbefragung (Welle 1) an, dass sie Sichtbarkeit und Informationsfluss als sehr oder eher wichtig für die strukturelle Verankerung von BNE in der Kommune erachten.
„Wir können im Prinzip immer auch in Unterausschüssen […] auf eine Datenlage zurückgreifen und können daran im Prinzip auch erklären, warum wir uns für bestimmte Strategien und Wege entschieden haben beziehungsweise können diese Wege gemeinsam mit den Ausschussmitgliedern beschreiten, indem wir ihnen zunächst erstmal die Datenlage vorstellen, unsere Gedanken dazu präsentieren. Und dann haben sie Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, können ihre eigenen Rückschlüsse ziehen und sind ja dann viel eher bereit, Dinge, die wir tun, anzunehmen […].“
Stimme aus der Kommunalverwaltung, qualitative Expertenbefragung Welle 1
Auf Basis von Informationen und/oder Daten zu BNE lassen sich Ziele und Strategien festlegen sowie Maßnahmen entwickeln, überprüfen und anpassen (Wolff/Schönheit 2023, S. 72). Ebenso kann gesammeltes Wissen öffentlich zugänglich und so z. B. BNE-Aktivitäten sichtbar gemacht werden, wodurch Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe am BNE-Prozess erleichtert wird. Gleichzeitig ist es möglich, aufbereitete und systematisierte Informationen zu BNE als Argumentationsgrundlage zu nutzen, um gegenüber Dritten, z. B. der Bildungspolitik, bestimmte BNE-Maßnahmen zu legitimieren, wie auch das nebestehende Zitat aus einer qualitativen Befragung zeigt.
Auch wenn an der Sinnhaftigkeit einer fundierten Wissensbasis wenig Zweifel besteht, können die damit verbundenen Arbeitsschritte zur Schaffung dieser Basis zunächst als herausfordernd bzw. komplex erlebt werden. So gibt es bisher beispielsweise für die Erfassung von BNE-Aktivitäten in Kommunen nur erste Ansätze einer systematischen Indikatorik (z. B. Brock 2018), auf die Kommunen bei dieser Aufgabe zurückgreifen können.
Die Komplexität einerseits und wenig Vorerfahrungen mit Indikatorenentwicklung, Monitoring und Berichterstattung zu BNE andererseits können Gründe dafür sein, dass auch in den vom BNE-Kompetenzzentrum begleiteten Modellkommunen noch ein großer Handlungsbedarf in Bezug auf das Handlungsfeld "Wissensbasierung und Berichterstattung" besteht. (Die Ermittlung des Handlungsbedarfs erfolgte Anfang 2023, also etwa anderthalb Jahre nach Beginn der Begleitung durch das BNE-Kompetenzzentrum.)
Abbildung 1 zeigt zum einen, dass der Handlungsbedarf in allen drei abgefragten Aspekten - Erfassung, Nutzung und Berichtslegung von Daten - ähnlich hoch eingeschätzt wurde. Zum anderen wird deutlich, dass gerade Kommunen, die am Beginn des Verankerungsprozesses mit BNE standen, einen größeren Handlungs- und vermutlich auch Unterstützungsbedarf in diesem Bereich hatten als Kommunen, die im BNE-Prozess schon weiter fortgeschritten waren.
Informationen aufbereiten und nutzbar machen
In einem ersten Schritt in Richtung Wissensbasierung geht es darum, Informationen zum BNE-Prozess in Kommunen zu sammeln. Aus Abbildung 2 geht hervor, dass in den Modellkommunen zum Befragungszeitraum bisher v. a. Informationen dazu vorlagen, welche BNE-Akteurinnen und -Akteure es innerhalb der Kommune gibt und welche mit BNE verbundenen Aktivitäten stattfinden, z. B. Treffen von BNE-Planungsgruppen oder anderen BNE-Gremien. Deutlich seltener wurden bisher BNE-Angebote in einer Übersicht erfasst, so dass diese z. B. für an BNE interessierte Personen auffindbar sind.
Nachdem die Informationen zusammengetragen sind, müssen diese analysiert werden, um diese z. B. für die Anpassung von Zielen und Strategien nutzen oder in Form von Berichten aufbereiten zu können. In Abbildung 3 sind die damit verbundenen Aufgaben sowie der jeweilige Ist-Zustand in den Modellkommunen dargestellt.
Es zeigt sich, dass die verschiedenen Aufgaben in den untersuchten Kommunen bisher in sehr unterschiedlichem Ausmaß realisiert wurden. Während die erfassten Informationen in den meisten Kommunen schon in Teilen analysiert und als Planungsgrundlage verwendet wurden, stand die Berichterstattung zu den gesammelten BNE-Informationen noch relativ am Anfang: So lag laut Durchschnitt der Befragten der Anteil der Kommunen, in denen die gesammelten Informationen für BNE-Akteurinnen und -Akteure bisher (eher) nicht zugänglich gemacht wurden, bei ca. einem Drittel. In Bezug auf die Berichterstattung gegenüber Bürgerinnen und Bürger lag dieser Anteil sogar noch höher: Bei etwa der Hälfte der Kommunen gab es zum Befragungszeitpunkt laut Durchschnitt der Befragten (eher) keine Berichterstattung für diese Zielgruppe. Hier zeigt sich ein deutlicher Handlungsbedarf. Dieser Befund hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die gesammelten Informationen noch nicht in allen Kommunen analysiert wurden und somit als Grundlage für Berichte zur Verfügung standen. (Die vorliegenden Daten zeigen, dass es jeweils einen starken, signifikanten Zusammenhang zwischen der Aussage zur Auswertung/Analyse der Daten und der zur Berichterstattung für BNE-Akteurinnen und -Akteure (Pearsons r = 0,68, p < 0,001, N = 46) bzw. zur Berichterstattung für Bürgerinnen und Bürger (Pearsons r = 0,57, p < 0,001, N = 46) gibt. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson ist eine Maßzahl, die die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen angibt. Er kann Werte zwischen -1 und 1 annehmen. Je größer der Wert ist, desto stärker ist der Zusammenhang.)
Allerdings zeigen die Ergebnisse auch einen gewissen Mangel an Transparenz gegenüber wichtigen Stakeholdern am BNE-Prozess und/oder gegenüber der kommunalen Öffentlichkeit. Eine Berichterstattung für diese Gruppen könnte sicherlich einen Beitrag dazu leisten, die Akzeptanz für den BNE-Prozess zu erhöhen, mit BNE verbundene Aktivitäten gegenüber der Öffentlichkeit zu legitimieren und mit transparenten Informationen die Basis für Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen.
Fazit: Vorhandenes Wissen nutzen und zugänglich machen
Wissensbasierung und Berichterstattung wurden von den meisten Befragten als wichtig und sinnvoll für den Verankerungsprozess von BNE erachtet. Gleichzeitig bestand in den Modellkommunen noch deutlicher Handlungsbedarf in Bezug auf diese Themen, insbesondere bei Kommunen, die am Beginn des Verankerungsprozesses standen. Zwar haben viele Kommunen schon angefangen, Informationen zu BNE zusammenzutragen. Bei anderen zentralen Aufgaben wie der Berichtslegung standen fast alle Modellkommunen noch relativ am Anfang.
Tipp 1: Nutzen Sie das kommunale BNE-Netzwerk, um vorhandenes Wissen zusammenzutragen!
Wie kann es Kommunen nun gelingen, ihre BNE-Arbeit stärker als bisher wissensbasiert durchzuführen? Bevor man mit der Planung konkreter Umsetzungsschritte beginnt, empfiehlt es sich, die kommunale Ausgangssituation zu betrachten: Wie ist der BNE-Entwicklungsstand? Welche Vorerfahrungen mit verwandten Themen gibt es? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Solch eine Analyse ermöglicht eine realistische Einschätzung des kommunenspezifischen Handlungsspielraums für den Bereich “Wissensbasierung und Berichterstattung” und davon ausgehend die Ableitung von Zielen, die mit diesem Bereich erreicht werden sollen.
Ausgangspunkt für eine Wissensbasierung ist es, Informationen zu sammeln. Eine Empfehlung für diese Aufgabe ist, bereits vorhandene Informationen zu nutzen. Statt neue Daten zeitaufwendig zu erheben, kann es zunächst einfacher sein, bereits vorliegende Informationen zusammenzutragen. So lassen sich z. B. gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren aus dem kommunalen BNE-Netzwerk bereits vorhandene BNE-Angebote innerhalb der Kommune erfassen. Mithilfe übergeordneter Kategorien - wie Zielgruppen, Durchführungshäufigkeit oder berücksichtigte Nachhaltigkeitsdimensionen – können sie systematisiert und geordnet werden. Wie dies erfolgreich gelingen kann, lässt sich z. B. anhand der BNE-Projektbroschüre des Netzwerkes BNE in Neustadt an der Weinstraße sehen. Diese ist auf Grundlage einer Abfrage entstanden und zeigt die Angebote verschiedener BNE-Akteurinnen und –Akteure in der Kommune. Solche Informationssammlungen können im Verlauf des Verankerungsprozesses auch Ausgangspunkt für ein längerfristiges BNE-Monitoring sein und systematisch ausgebaut werden.
Tipp 2: Erstellen Sie eine Übersicht mit BNE-Angeboten, damit an BNE interessierte Bürgerinnen und Bürger diese auch finden können!
Die Informationen zu solchen Angeboten können dann wiederum genutzt werden, um eine öffentlich zugängliche Übersicht mit BNE-Angeboten zu erstellen. Denn auch hier zeigen die Daten einen Handlungsbedarf an: So verfügt die Mehrheit der Modellkommunen bisher noch nicht oder nur teilweise über solch eine Übersicht. Diese ist aber wichtiger Baustein im langfristigen Verankerungsprozess von BNE in der Bildungslandschaft, damit einerseits sichergestellt ist, dass vorhandene BNE-Angebote auch von an BNE interessierten Personen gefunden werden können. Andererseits bildet eine Übersicht eine Möglichkeit, um Aussagen darüber treffen zu können, ob Maßnahmen zur strukturellen Verankerung zielführend sind. Denn langfristiges Ziel dieser Prozesse ist es ja, ein BNE-Angebot für alle Menschen bereitzustellen. Ohne die entsprechenden Informationen zu diesem Angebot sind Aussagen dazu, ob diese Ziele erreicht werden, folglich nur schwer möglich.
Konkrete Umsetzungshinweise zur Bestandserfassung und zum Sichtbarmachen von BNE-Angeboten finden sich in den Texten „Einen Überblick zu BNE gewinnen“ und „Aus dem Arbeitskreis ins Rampenlicht“.
Tipp 3: Platzieren Sie die gesammelten BNE-Informationen in bereits vorhandenen Berichten Ihrer Kommune!
Weiterhin besteht Handlungsbedarf bei der Berichtslegung zu BNE – insbesondere gegenüber den kommunalen BNE-Akteurinnen und -Akteuren oder Geldgeberinnen und Geldgebern. Auch hier empfiehlt es sich, an ein häufig bereits bestehendes Berichtswesen anzudocken, für das es etablierte Verfahren gibt, um über deren Erscheinen zu informieren. Die quantitativen Erhebungen im Rahmen der Prozessevaluation zeigen, dass es in fast allen Modellkommunen mindestens einen Bericht gab. Am häufigsten wurden von den Kommunen Bildungs- und / oder (Stadt-)Entwicklungsberichte erstellt, gefolgt von Sozial- und Nachhaltigkeitsberichten (vgl. Abbildung 4) In solchen Berichten lassen sich dann ausgewählte Informationen zu BNE in der Kommune darstellen oder Entwicklungen skizzieren.
Die präsentierten Ergebnisse zeigen, dass es in den Kommunen in Bezug auf das Thema Wissensbasierung und Berichterstattung noch viel zu tun gibt. Gleichzeitig sollen die aus den Daten abgeleiteten Empfehlungen kommunale Akteurinnen und Akteure ermutigen, erste bzw. weitere Schritte in Richtung einer fundierten Wissensbasis zu BNE zu gehen. Wie diese Aufgaben bereits erfolgreich realisiert werden, zeigen verschiedene kommunale Beispiele im Praxishandbuch des BNE-Kompetenzzentrums.
Literatur
Brock, Antje (2018): Indikatorenset zur Verankerung von BNE in den verschiedenen Bildungsbereichen. In: Brock, Antje/de Haan, Gerhard/Etzkorn, Nadine/Singer-Brodowski, Mandy (Hrsg.): Wegmarken zur Transformation. Nationales Monitoring von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Opladen/Berlin/Toronto, S. 25–34
Wolff, Oliver/Schönheit, Anna-Luise (2023): Wissensbasierung und Berichterstattung. Wie können Informationen zu BNE gesammelt und genutzt werden? In: BNE-Kompetenzzentrum (Hrsg.): Praxishandbuch Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kommune gestalten. Hintergrund, Beispiele, Arbeitshilfen für den Start. Leipzig/München/Osnabrück, S. 68–80
Text als PDF zum Download
Wissensbasierung und Berichterstattung
Aus dem Arbeitskreis ins Rampenlicht
