Entwicklungsstand und Umsetzung der Handlungsfelder in den Modellkommunen
Um was geht es?
Die strukturelle Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in kommunale Bildungslandschaften (vgl. Was ist strukturelle Verankerung von BNE in kommunalen Bildungslandschaften? Und warum ist diese wichtig?), kann als ein Prozess beschrieben werden, der durch unterschiedliche Schritte gekennzeichnet ist. Im Rahmen des Projekts "Bildung – Nachhaltigkeit – Kommune: BNE-Kompetenzzentrum für Prozessbegleitung und Prozessevaluation" (kurz: BNE-Kompetenzzentrum) wurden sieben Handlungsfelder herausgearbeitet, die für die strukturelle Verankerung von BNE als relevant erscheinen (BNE-Kompetenzzentrum 2023). Dabei handelt es sich um:
- Strategie und Ziele,
- Steuerung und Koordination,
- Netzwerke und Kooperation,
- Wissensbasierung und Berichterstattung,
- Qualität und Wirkung,
- Sichtbarkeit und Kommunikation sowie
- Partizipation.
Da die Handlungsfelder selbst ganz unterschiedliche Aktivitäten und Prozesse beschreiben und somit in Summe eine Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen ist, scheint es plausibel, dass nicht alle Aspekte der Handlungsfelder und auch die Handlungsfelder selbst nicht alle zur gleichen Zeit bewältigt werden können.
Die Verankerung von BNE ist ein komplexer und vielschichtiger Prozess. Detaillierte Informationen zu den Handlungsfeldern sind dem Praxishandbuch (2023) des BNE-Kompetenzzentrums zu entnehmen.
Innerhalb des Projekts "Bildung – Nachhaltigkeit – Kommune: BNE-Kompetenzzentrum für Prozessbegleitung und Prozessevaluation " wurden 48 Kommunen zu drei Zeitpunkten zu ihrem Entwicklungsstand und der Umsetzung der Handlungsfelder quantitativ befragt. Da es sich dabei um Widerholungsbefragungen mit ähnlichen Fragebögen handelt, können die Ergebnisse miteinander verglichen werden. Dabei stellt sich die Frage, wie sich die strukturelle Verankerung von BNE in den Modellkommunen über die Erhebungszeitpunkte verändert hat. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse dieser Gegenüberstellung erläutert.
Datengrundlage für die Darstellungen bildet die erste und zweite Welle der quantitativen Expertenbefragung. Die erste Erhebung fand zu Beginn der Projektlaufzeit statt und spiegelt somit den Ausgangszustand der Modellkommunen wider. Die zweite Erhebung erfolgte nach einem Jahr, in welchem bereits einiges an Unterstützungsarbeit vonseiten des BNE-Kompetenzzentrums geleistet werden konnte. Innerhalb der beiden Wellen wurden verschiedene Aspekte zu den Handlungsfeldern abgefragt. Die Antworten wurden für die Auswertung auf Kommunalebene aggregiert. Das heißt von allen Antworten innerhalb einer Kommune wurde der Mittelwert gebildet, so dass für die Auswertung für jede Kommune jeweils ein gemeinsamer Wert vorliegt.
Ergebnisse
Um die Ergebnisse einordnen zu können, ist es zunächst wichtig, den Entwicklungsstand der Kommunen zu betrachten. Innerhalb der Befragung wurden die Akteurinnen und Akteure darum gebeten, den Entwicklungsstand ihrer Kommune auf einer Skala von "Wir stehen noch ganz am Anfang" (Stufe 1) bis "Wir konnten schon sehr viel erreichen, BNE ist bereits weitgehend integriert" (Stufe 5) anzugeben. Abbildung 1 spiegelt das aggregierte Ergebnis auf Kommunalebene wider.
Die Abbildung zeigt, dass nahezu alle Kommunen einen eher geringen BNE-Entwicklungsstand aufweisen. Mit 53% lässt sich laut durchschnittlicher Einschätzung der Befragten der BNE-Entwicklungsstand ihrer Kommune in der zweiten Welle der Kategorie 2 zuordnen. 26% der Kommunen lassen sich der 3. Stufe zuordnen und 15% stehen mit einer 1 noch ganz am Anfang. Im Aggregat zeigt sich bei keiner Kommune, dass BNE schon weitgehend integriert ist (Stufe 5) und lediglich 6% geben eine 4 an.
Auffällig ist, dass sich die Einschätzungen von Welle 1 auf Welle 2 kaum verändert haben. Es zeigt sich sogar, dass in Welle 1 laut durchschnittlicher Einschätzung der Befragten weniger Kommunen noch ganz am Anfang stehen als in der zweiten Welle. Gründe dafür können an dieser Stelle nur vermutet werden. Zusammenhängen könnte dies z.B. mit der Wahrnehmung von Prozessen und Fortschritt. So kann angenommen werden, dass mit dem Fortschreiten der Verankerung feststellt wird, was noch alles zu tun ist und so möglicherweise die eigene Entwicklung niedriger eingeschätzt wird als am Beginn des Verankerungsprozesses (Heidenreich 2003).
Als ein weiterer Indikator für den BNE-Entwicklungsstand von Kommunen kann das Vorhandensein von BNE-Bildungsangeboten angesehen werden (Albrecht/Mögling 2021, S. 79–80; Deutsche UNESCO-Kommission e.V. 2014). Auch zu diesen wurden in der zweiten Welle verschiedene Aspekte erhoben, welche ebenfalls darauf hindeuten, dass die Kommunen tendenziell noch am Anfang der strukturellen Verankerung von BNE stehen.
Weitere Fragestellungen
Zeigen sich Veränderungen innerhalb der Handlungsfelder?
In welchen Handlungsfeldern zeigen sich Veränderungen?
In welche Richtung gehen diese Veränderungen?
Auch wenn sich nur geringe Unterschiede zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten hinsichtlich des BNE-Entwicklungsstandes zeigen, stellt sich die Frage, ob sich Entwicklungen innerhalb der einzelnen Handlungsfeldern zeigen, welche Handlungsfelder ggf. eine Veränderung aufzeigen und in welche Richtung diese Veränderungen gehen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist Tabelle 1 zu entnehmen. Ausführliche Ergebnisse zu den Handlungsfeldern können der Infothek des BNE-Kompetenzzentrums entnommen werden.
Zusammenfassung der zentralen Entwicklung innerhalb der Handlungsfelder von Welle 1 auf Welle 2
Handlungsfeld | Entwicklungsstand und Veränderungen über die Wellen |
Strategie und Ziele |
|
Steuerung und Koordination |
|
Netzwerke und Kooperation |
|
Wissensbasierung und Berichterstattung |
|
Qualität und Wirkung | Keine ausreichende Datengrundlage für Auswertungen vorhanden. |
Sichtbarkeit und Kommunikation |
|
Partizipation |
|
Auch die zusammengefassten Ergebnisse der Handlungsfelder über die beiden Wellen hinweg verdeutlichen, dass die Modellkommunen noch eher am Beginn des Verankerungsprozesses von BNE stehen. Nichts desto trotz lässt sich erkennen, dass in einigen Bereichen schon mehr erreicht werden konnte, als in anderen.
So wird deutlich, dass der Grundstein für BNE - z. B. durch öffentliche Bekenntnisse, das Vorhandensein oder die Arbeit an einem gemeinsamen BNE-Verständnis, aber auch durch Strukturen wie eine BNE-Ansprechperson - in den Modellkommunen überwiegend gelegt werden konnte. Es lässt sich somit schlussfolgern, dass insbesondere die Handlungsfelder Steuerung und Koordination sowie Strategie und Ziele ganz wesentliche Handlungsfelder insbesondere zu Beginn des Verankerungsprozesses darstellen. Eine positive Entwicklung lässt sich zwar auch hier, wie schon beim Entwicklungsstand, nicht eindeutig ablesen, jedoch auf Grund einer höheren Zustimmung zu den unterschiedlichen Fragestellungen vermuten.
BNE und die Verankerung von BNE kann nur als gemeinsame Aufgabe unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure bewältigt werden (Albrecht/Mögling 2021, 72–74; Grapentin-Rimek 2019, S. 3). Dies verdeutlicht insbesondere die Relevanz der Handlungsfelder Netzwerke und Kooperation sowie Partizipation. Mit Blick auf die Tabelle fällt jedoch auf, dass in beiden Handlungsfeldern die Modellkommunen noch am Anfang stehen, insbesondere im Handlungsfeld Partizipation. Der Einbezug von Bürgerinnen und Bürgern spielt in den Modellkommunen noch eine sehr untergeordnete Rolle.
Zusammengefasst zeigt sich im Handlungsfeld Netzwerke und Kooperation, dass das Engagement insbesondere aus der Zivilgesellschaft kommt, zentrale Entscheidungen aber vorwiegend von der Politik und Verwaltung getroffen werden. Gleichzeitig wird von den Befragten die Zusammenarbeit zwischen den Akteurinnen und Akteuren nur in 21% der Kommunen mit gut bewertet. Eine Veränderung zwischen den Wellen kann hier im Wesentlichen nicht erkannt werden. (Erkenntnisse aus den qualitativen Experteninterviews zu diesem Handlungsfeld sind in den Texten Wie die Akteursgruppen in der Kommune zusammenarbeiten und BNE-Netzwerke gestalten und weiterentwickeln zu finden.)
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Wissensbasierung und Berichterstattung. Auch hier befinden sich die Kommunen in der Regel noch am Anfang. Dies ist jedoch nicht überraschend, denn um Aspekte zu erheben und zu erfassen, müssen vorher andere Aspekte umgesetzt werden und Strukturen hergestellt werden. Somit gewinnt vermutlich besonders das Handlungsfeld Wissensbasierung und Berichterstattung erst im Verlauf des Verankerungsprozesses an Bedeutung.
Im Handlungsfeld Sichtbarkeit und Kommunikation lässt sich eine positive Entwicklung vermuten. Zwar ist auch in diesem Handlungsfeld insgesamt noch viel zu tun, jedoch geben in der zweiten Welle bereits mehr Kommunen an, BNE in der Kommune sichtbar zu machen als in der ersten Welle (65% bejahen die Frage in der ersten Welle, 88% der Kommunen bejahen die Frage in der zweiten Welle, hierbei sei erwähnt, dass die Abfrage nach der Sichtbarkeit in den beiden Wellen variiert und somit die Vergleichbarkeit der beiden Werte beeinflusst sein könnte). Insbesondere Internetauftritte und Veranstaltung werden in der zweiten Welle deutlich häufiger von den Kommunen als Formate für die Öffentlichkeitsarbeit angegeben.
Schlussfolgerung
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Kommunen in der Regel noch eher am Beginn des Verankerungsprozesses von BNE stehen, aber dass sich zumindest bei einigen Fragestellungen und Handlungsfeldern ein positiver Entwicklungstrend feststellen lässt (BNE-Strukturen, Sichtbarkeit, BNE-Verständnis).
Hierbei sei angemerkt, dass Entwicklungen Zeit brauchen und der zeitliche Abstand von einem Jahr zwischen den Erhebungswellen möglicherweise zu kurz ist, um grundlegende Änderungen erreichen zu können. Außerdem ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass sich nicht trotzdem positive Entwicklungen in den Kommunen vollzogen haben. So können Veränderungen z.B. auch nur punktuell sein oder nicht die gesamte Kommune betreffen. Dadurch, dass jedoch eine Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren in der Kommune befragt wurden, kann es sein, dass Veränderungen noch nicht in allen Bereichen angekommen sind bzw. wahrgenommen werden oder aber auch nicht für alle Bereiche zutreffend sind.
Nichtsdestotrotz können Entwicklungen und Fortschritte bei der strukturellen Verankerung von BNE (egal wie groß oder klein sie sind) als positive Entwicklung angesehen werden. An dieser Stelle wird die Bedeutung von Kommunikation und Sichtbarkeit wieder deutlich, um Veränderungen und positive Entwicklungen allen relevanten Akteurinnen und Akteuren aber auch Zielgruppen zugänglich zu machen.
Mit Blick auf die Handlungsfelder und deren Entwicklungsstand in den Kommunen lässt sich weiterhin vermuten, dass die gleichzeitige Bearbeitung aller Handlungsfelder nicht möglich ist. So gibt es Handlungsfelder, die insbesondere zu Beginn des Verankerungsprozesses relevant sind (Strategie und Ziele, Steuerung und Koordination). Andere Handlungsfelder gewinnen erst im Verlauf des Prozesses an Bedeutung (Wissensbasierung und Berichterstattung, Partizipation). Wieder andere sind zu jedem Zeitpunkt wichtig (Netzwerke und Kooperation, Sichtbarkeit und Kommunikation). Weitere Analysen sind jedoch notwendig, um mehr Hinweise über einzelne Phasen des Verankerungsprozesses herauszuarbeiten.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass unklar bleibt, wodurch die Veränderungen in den Daten entstehen. Ob es tatsächliche Änderungen sind, z.B. mehr Beschlüsse, oder ob der Zustand auch schon zum ersten Erhebungszeitpunkt so bestand, aber noch nicht sehr viele der Befragten Akteurinnen und Akteure davon wussten, kann auf Grundlage der Daten nicht differenziert werden. Somit ist es auch möglich, dass sich durch den Wissenszuwachs der Befragten scheinbar zum zweiten Befragungszeitpunkt eine positive Entwicklung zeigt. Beides kann in diesem Zusammenhang jedoch als positive Veränderung angesehen werden: eine tatsächliche Veränderung aber auch die größere Bekanntheit der existierenden Strukturen.
Zusammenfassung
- Der Verankerungsprozess von BNE braucht Zeit.
- Die Relevanz der Handlungsfelder ändert sich im Verankerungsprozess.
- Besondere Relevanz zu Beginn des Prozesses haben die Handlungsfelder Strategie und Ziele sowie Steuerung und Koordination.
- Im Projektverlauf gewinnen zunehmend die Handlungsfelder Wissensbasierung und Berichterstattung sowie Partizipation an Bedeutung.
- Zu jedem Zeitpunkt relevant sind die Handlungsfelder Netzwerke und Kooperation sowie Sichtbarkeit und Kommunikation.
Literatur
Albrecht, Maria/Hoch, Carolin (im Review): Kommunen als Orte für Bildung für nachhaltige Entwicklung. Vom Projekt zur Struktur?
Albrecht, Maria/Mögling, Tatjana (2021): Dimensionen struktureller Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Kommunen. In: BNE-Kompetenzzentrum (Hrsg.): Strukturelle Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in kommunale Bildungslandschaften, S. 65–104
BNE-Kompetenzzentrum (Hrsg.) (2023): Praxishandbuch Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kommune gestalten. Hintergrund, Beispiele, Arbeitshilfen für den Start. München
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK) (2014): Vom Projekt zur Struktur. Projekte, Maßnahmen und Kommunen der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Bonn
Grapentin-Rimek, Theresa (2019): Bildung für nachhaltige Entwicklung in kommunalen Bildungslandschaften. In: Singer-Brodowski, Mandy/Etzkorn, Nadine/Grapentin-Rimek, Theresa (Hrsg.): Pfade der Transformation. Die Verbreitung von Bildung für nachhaltige Entwicklung im deutschen Bildungssystem. Opladen/Berlin/Toronto, S. 233–290
Heidenreich, Martin (2003): Die Debatte um die Wissensgesellschaft. In: Böschen, Stefan (Hrsg.): Wissenschaft in der Wissensgesellschaft. Wiesbaden, S. 25–51
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Kurzmitteilung aus der Forschung: Was ist wichtig für die Verstetigung von BNE in der Kommune?

Kurzmitteilung aus der Forschung: Welche Rolle spielen Region und Gebietskörperschaft?
