Engagement verstehen
In den 48 Kommunen, die im Rahmen des Modellprojekts „BNE-Kompetenzzentrum: Bildung – Nachhaltigkeit – Kommune“ begleitet wurden, zeigte sich ein vielfältiges und differenziertes Bild hinsichtlich der strukturellen Verankerung und des Stellenwertes von BNE.
Der Grad der strukturellen Verankerung von BNE in Kommunen hängt dabei nicht unwesentlich von den Menschen und Institutionen ab, die sich für BNE einsetzen. In der Literatur zu diesem Thema wird beispielsweise hervorgehoben, dass ein ausschlaggebender Faktor für die strukturelle Verankerung von BNE in Kommunen ist, dass verschiedene Entscheidungsträger:innen das Thema als relevant erachten und sich aktiv für seine Verbreitung engagieren (Deutsche UNESCO-Kommission e.V. 2014; Deutsche UNESCO-Kommission e.V. 2020; Grapentin-Rimek 2019; Jossin/Hollbach-Grömig 2020;).
Doch was treibt sie an? Eine Analyse von 53 qualitativen, leitfadengestützten Interviews mit Expertinnen und Experten gibt Aufschluss über die Motivationen hinter dem Engagement von verschiedenen Institutionen und Einzelpersonen in den Kommunen. Befragt wurden kommunale Expertinnen und Experten aus den Bereichen Kommunalverwaltung, Zivilgesellschaft, formaler und non-formaler Bildung sowie Politik. Die Interviews wurden zwischen Juni und Dezember 2021 in 15 der 48 Modellkommunen erhoben. Ein zentraler Teil der Befragung waren dabei die Fragen:
- Warum engagiert sich Ihre Institution für BNE?
- Was ist Ihre persönliche Motivation, sich für BNE zu engagieren?
Die Antworten darauf sollen nun systematisch zusammengefasst dargestellt werden. Im Anschluss werden Empfehlungen gegeben, die sich aus den Ergebnissen ableiten lassen.
Für mehr Informationen zur qualitativen Teilstudie siehe: Mögling, Tatjana (2024): Methodenbericht: Qualitative Expertenbefragung. Befragung von kommunalen Akteurinnen und Akteuren in zwei Wellen. München
Motivation auf institutioneller Ebene
Das BNE-Engagement der eigenen Institution wurde von den interviewten Personen vielfältig begründet. Dabei ließen sich vier zentrale Motivationsstränge identifizieren: normative, handlungspraktische, strukturbedingte und personenbedingte. Die personenbedingte Motivation wurde dabei von den Befragten als besonders wichtig bewertet.
Normative Motivation – BNE aus Überzeugung
Normative Motivationen entstehen aus den ethischen Grundwerten der Institutionen, denen die Interviewpartner:innen angehören. Ein treffendes Beispiel ist etwa die Definition von Nachhaltigkeit als Daseinsvorsorge durch eine:n Verwaltungsakteur:in:
„…Nachhaltigkeit [ist] unser aller Lebensgrundlage, in sämtlichen Belangen, sei es ökonomisch, ökologisch oder sozial. Und von daher ist es für uns eine Daseinsvorsorge, für uns, für unseren Kreis und für unsere Bürgerinnen und Bürger im Kreis.“ (Verwaltungsakteur:in 2021)
Zudem wurde hier die Motivation genannt, durch den Einsatz für BNE als Vorbild für kommende Generationen zu wirken. Auch zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure begründen das Engagement des eigenen Vereins oft mit normativen Vereinszielstellungen. Genannte Ziele waren etwa die Förderung von Nachhaltigkeit oder Zukunftskompetenzen sowie eine durch BNE erreichbare Förderung von Gerechtigkeit. Ein:e weitere:r zivilgesellschaftliche:r Akteur:in spricht davon, durch die Umsetzung von BNE weiterhin glaubwürdig in der Umsetzung des Vereinsziels der Jugendvertretung sein zu können, da sich durch BNE die Situation von Kindern und Jugendlichen verbessern lasse.
Handlungspraktische Motivation – BNE als Werkzeug
Handlungspraktische Motivationen bedeuten, dass anwendungsorientierte Beweggründe für den Einsatz für BNE für die Institutionen richtungsweisend sind. Dazu gehört z.B. eine empfundene Alternativlosigkeit zu BNE. Das Konzept wird in manchen Institutionen als der einzig zielführende Weg angesehen, um die in ihm enthaltenen Bildungsziele wie z.B. Selbstbestimmung, Mitbestimmung oder Zukunftsfähigkeit der Bildungsempfänger:innen zu erreichen. Auch eine durch BNE gegebene Handlungsmacht, etwas zu vermitteln und bewegen zu können, wird von manchen Expertinnen und Experten als institutionelle Motivation angesprochen. Hier ist das Ziel, Bildung als Werkzeug für gesellschaftliche Veränderung zu nutzen. Auch berichtet z.B. ein:e zivilgesellschaftliche:r Akteur:in davon, durch BNE einen Experimentierraum schaffen zu können:
„Und die Motivation ist für uns klar, dass wir […] als Verein davon überzeugt sind, dass es neue Lebensmodelle und neue Ansätze braucht, und die wollen wir hier gelebt ausprobieren […].“ (Zivilgesellschaftliche:r Akteur:in 2021).
Auch die reine Neugierde, wie man ein so großes Thema wie Nachhaltigkeit praktisch angehen könne, wurde als Motivation für die Umsetzung von BNE in der Kommune genannt.
Strukturbedingte Motivation – BNE aus Pragmatismus
Strukturbedingte Motivationen ergeben sich aus den strukturellen Rahmenbedingungen und strategischen Erwägungen, die das Engagement für BNE innerhalb von Institutionen begünstigen. Dazu gehört beispielsweise die Erschließung neuer Zielgruppen. So wird BNE unter anderem eingesetzt, um jüngere Generationen gezielt anzusprechen und langfristig in Bildungsangebote einzubinden. So berichtet beispielsweise ein:e Akteur:in der (non-)formalen Bildung:
„Ja, also wir wollen einfach an die jüngeren Leute ran, wollen an junge Familien mit ran, die wir bisher noch nicht so richtig erreicht haben, ne? […] ich denke, das ist ein Thema, wo wir halt auch […] ein Angebot machen können, was auch für Jüngere deutlich attraktiver ist“ (Bildungsakteur:in 2021)
Finanzielle Anreize sind ein weiterer Beweggrund für Institutionen, sich mit BNE zu beschäftigen. Beispielsweise hat die thematische Schwerpunktverlagerung auf BNE bei Förderung von Bildungsangeboten auf Seiten von Dachverbänden/-trägern dazu geführt, dass sich ein Verein in einer untersuchten Kommune entschieden hat, BNE stärker in seine Arbeit zu integrieren. Und eine Anekdote zur strukturbedingten Motivation zum Schluss: Auch eine gewonnene Auszeichnung der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt für die kommunale Integrationsarbeit war in einer Kommune der Startschuss, sich für BNE zu engagieren. Der:die betreffende Verwaltungsakteur:in beschreibt, sie:er hatte in der Bewerbung auf diese Auszeichnung vermerkt,
„[…] dass wir uns jetzt zukünftig auch um die Fragen einer global nachhaltigen Kommune auseinandersetzen wollen. Und ich glaube, das war sozusagen auch der Grund, warum wir den Newcomer-Preis gewonnen haben und uns selbstverpflichtet haben, da was zu tun.“ (Verwaltungsakteur:in 2021)
Personenbedingte Motivation
Neben diesen Begründungen wurde jedoch bereits bei der Frage nach dem Grund des Engagements der Institution von vielen der Expertinnen und Experten ebenso die Antwort gegeben: das selbstinitiative Engagement motivierter Einzelpersonen sei die treibende Kraft hinter BNE! Insbesondere von Verwaltungsakteurinnen- und akteure wurde der hohe Wert der Initiative einzelner Mitarbeiter:innen hervorgehoben. Ein:e Akteur:in aus der Kommunalverwaltung beschreibt etwa:
„Ich kann eine [Personal-]Stelle haben, ich kann da auch Geld dafür haben, wenn ich aber jemanden sitzen habe, der das von vornherein eigentlich nur als hinderlich und störend empfindet, wird dieser Mann […] oder die[se] Frau nichts erreichen. Das heißt, sie brauchen natürlich auch viel, viel, viel Engagement, um dieses Thema voran zu bringen.“ (Verwaltungsakteur:in 2021)
Auch die quantitative Befragung des BNE-Kompetenzzentrums bestätigte diese Einschätzung im Jahr 2022. Laut Mehrheit der Befragten in 42 der 48 Modellkommunen ist das Engagement einzelner Personen „eher wichtig“ für die Verankerung von BNE in der Kommune. In den restlichen 6 Kommunen schätzt die Mehrheit der Befragten es sogar als „sehr wichtig“ für die Verankerung ein.
Doch woher kommt es, dass sich manche Akteurinnen und Akteure unentwegt für BNE in ihren Institutionen und in ihrer Kommune einsetzen? Die Frage nach der persönlichen Motivation der interviewten Personen liefert Einblicke.
Für mehr Informationen zur quantitativen Teilstudie siehe: Hoch, Carolin (2024): Methodenbericht: Quantitative Erhebung. Eine Befragung von Expertinnen und Experten in drei Wellen. München.
Motivation auf individueller Ebene
Die persönlichen Motivationen der befragten Expertinnen und Experten sich für BNE zu engagieren, begründen sich oft durch die individuelle akademische und/oder berufliche Biografie, normative sowie emotionale Beweggründe.
Akademische/berufliche Biografie
Die individuelle Motivation für das Engagement für BNE ergibt sich bei sehr vielen der interviewten Personen aus der persönlichen Bildungsbiografie und dem akademischen oder beruflichen Werdegang. Viele Engagierte sehen ihre eigene Bildungserfahrung als Verpflichtung, den BNE-Prozess aktiv zu unterstützen. Ihre akademische Laufbahn, ihr Studium oder ihre berufliche Tätigkeit haben sie inhaltlich mit den Themen der BNE in Berührung gebracht und prägen somit ihr Engagement. Besonders häufig wird eine enge Verknüpfung mit dem beruflichen Kontext genannt – sei es durch die bisherige berufliche Laufbahn, frühere Tätigkeiten oder ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl für das eigene Arbeits- und Themenfeld. Insbesondere Akteurinnen und Akteure aus der Verwaltung berichten oft über diese Verknüpfung.
Normative Beweggründe
Darüber hinaus spielen ideelle Beweggründe eine äußerst zentrale Rolle für das Engagement der Befragten. Viele berichten von einer tiefen Verbundenheit mit der Natur, die durch prägende Erlebnisse in der Jugend, ein starkes Umweltbewusstsein oder den Einsatz für Tierschutz und Klimawandel verstärkt wurde. Ebenso sind idealistische Ziele wie der Wunsch, gesellschaftlichen Wandel aktiv mitzugestalten, eine treibende Kraft. Die Vorstellung, dass jeder Mensch Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft trägt, spiegelt sich in moralischen Überzeugungen wider. Ein:e Akteur:in aus der Politik sagt hier etwa bestimmt, man dürfe die Erde nicht nur benutzen:
„[…], sondern wir müssen sie auch übergeben. Und da ist ein altes […] Sprichwort: übergib nicht die Asche, sondern das Feuer.“ (Politikakteur:in 2021)
Weitere moralische Überzeugungen zeigen sich in einem Bedürfnis nach Gerechtigkeit oder dem Wunsch, langfristige Zukunftsvisionen gemeinsam zu entwickeln. Solche normativen Beweggründe wurden besonders häufig von Akteurinnen und Akteuren aus den Bereichen Zivilgesellschaft und Bildung angeführt.
Emotionale Beweggründe
Neben diesen ethischen und wertebasierten Motiven sind auch persönliche Emotionen eine starke Triebkraft. Das Engagement wird oft als eine Herzensangelegenheit beschrieben, die mit Freude, Leidenschaft und innerer Zufriedenheit verbunden ist. Die Arbeit im Bereich BNE wird als bereichernd empfunden, da sie inspirierende Begegnungen ermöglicht und das Gefühl vermittelt, nicht allein für eine nachhaltige Zukunft zu kämpfen. Diese Motivation wird zusätzlich durch positive Resonanz und Anerkennung verstärkt:
„Und wenn man das Leuchten oder die Begeisterung oder auch den Aha-Effekt in den Gesichtern der Menschen, mit denen man zu tun hat, sieht, ist das auch sehr selber motivierend“ (Zivilgesellschaftliche:r Akteur:in 2021).
Auch diese emotionalen Beweggründe wurden besonders häufig von Akteurinnen und Akteuren aus den Bereichen Zivilgesellschaft und Bildung beschrieben.
Fazit
Für die Implementierung von BNE in den Kommunen ist vor allem das Engagement von motivierten Einzelpersonen maßgeblich. Dieses wird auf Ebene der Institutionen als treibende Kraft für BNE bezeichnet. Dieses Ergebnis zeigen nicht nur die geführten qualitativen Interviews, auch in der quantitativen Befragung und der Literatur zum Thema wird diese Aussage gestützt.
Weitere Antriebskräfte für BNE auf institutioneller Ebene können normative Überzeugungen, handlungspraktische Erwägungen und strukturelle Rahmenbedingungen sein. Während einige Institutionen BNE als ethische Verpflichtung und zukunftsorientierte Notwendigkeit sehen, werden andere beispielsweise dadurch motiviert, BNE als praktisches Werkzeug zu nutzen, um gesellschaftliche Veränderung herbei zu führen. Wieder andere Institutionen engagieren sich aus strategischen Überlegungen für BNE, z.B. um neue finanzielle Ressourcen zu erschließen.
Auf individueller Ebene zeigt sich, dass persönliche Berufs- und Bildungsbiografien, normative und emotionale Beweggründe eine entscheidende Rolle dafür spielen, ob sich eine Person für BNE engagiert. Verwaltungsakteurinnen- und akteure berichten dabei besonders häufig davon, sich durch ihre berufliche Laufbahn mit BNE verbunden zu fühlen. Befragte aus den Bereichen Zivilgesellschaft und Bildung führen hingegen häufiger normative und emotionale Begründungen für das eigene Engagement an.
Basierend auf diesen Ergebnissen lassen sich diverse Handlungsempfehlungen ableiten.
Handlungsempfehlungen
- Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Dein Engagement für BNE kann etwas bewegen! Auch wenn der Weg manchmal herausfordernd sein kann – engagierte Vorreiter:innen sind einer der Grundsteine, um BNE in den Kommunen zu verankern. Sogar, wenn du erst einmal alleine startest, kannst du BNE entscheidend voranbringen. Und wer weiß, vielleicht motivierst du mit deinem Engagement noch weitere Menschen dazu, sich einzusetzen?
- Nutze deine fachlichen Stärken. Viele Engagierte bringen ihre beruflichen und akademischen Erfahrungen in ihre BNE-Arbeit ein. Überlege, wie du dein Wissen und deine Fähigkeiten gezielt einsetzen kannst, um Bildung für nachhaltige Entwicklung in deiner Kommune zu stärken.
- Such dir Gleichgesinnte. Der Austausch mit Menschen, die sich ebenfalls für eine nachhaltige Zukunft engagieren, kann unglaublich inspirierend sein. Vernetze dich, wenn möglich, mit anderen Engagierten in deiner Kommune oder Institution. Und unterstützte andere engagierte Menschen: Manchmal reicht schon eine kleine Ermutigung, um anderen einen neuen Motivationsschub zu verschaffen!
- Erkenne auch die pragmatischen Vorteile von BNE. BNE muss nicht zwingend aus Überzeugung betrieben werden, sondern kann auch aus pragmatischen Gründen genutzt werden – sei es für neue Fördermöglichkeiten oder neue Zielgruppen für die eigenen Angebote. Nutze diese Chancen für deine Institution!
Literatur
Albrecht, Maria & Mögling, Tatjana (2021): Dimensionen struktureller Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Kommunen. In: Strukturelle Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in kommunale Bildungslandschaften. München.
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK) (2014): Vom Projekt zur Struktur. Projekte, Maßnahmen und Kommunen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Bonn.
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (DUK) (2020): Starke Strukturen. Ausgezeichnete BNE vor Ort. Zu Besuch bei ausgezeichneten Kommunen, Lernorten und Netzwerken des UNESCO-Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung. Bonn.
Grapentin-Rimek, Theresa (2019): BNE -Bildungslandschaften – Kommunen als Schlüsselstellen für eine gesellschaftliche Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung. Executive Summary. Berlin
Hoch, Carolin (2024): Methodenbericht: Quantitative Erhebung. Eine Befragung von Expertinnen und Experten in drei Wellen. München.
Jossin, Jasmin & Hollbach-Grömig, Beate (2020): Fallstudien guter Praxis der BNE-Verankerung in Kommunen. Projektbericht. Berlin.
Mögling, Tatjana (2024): Methodenbericht: Qualitative Expertenbefragung. Befragung von kommunalen Akteurinnen und Akteuren in zwei Wellen. München.
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