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Kurzmitteilung aus der Forschung: Was braucht es für den Whole Institution Approach?

Analyse hinsichtlich förderlicher Faktoren für die Umsetzung in Kommunen

Um was geht es?

Mit dem Whole Institution Approach (WIA) ist der Anspruch verbunden, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen von Organisationen und Institutionen zu implementieren (Holst 2023). Für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist der Ansatz deshalb relevant, weil laut Nationaler Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung Lernorte (Was ist der Whole Institution Approach?) erst dann ihre volle Innovationskraft entfalten, „wenn sie ganzheitlich arbeiten, wenn also eine Schule, ein Verein, ein Unternehmen oder die kommunale Verwaltung Lernprozesse und Methoden sowie die Bewirtschaftung auch an Prinzipien der Nachhaltigkeit orientiert (Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung 2017, S. 100). Neben der pädagogischen Gestaltung von Lehr-Lern-Settings (Was charakterisiert ein BNE-Bildungsangebot?) ist der WIA damit einer der zentralen Ansatzpunkte für BNE und damit auch für den Übergang zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung (vgl. Holst 2023).

Doch welche Organisationen sind Vorreiterinnen auf diesem Weg und was sind förderliche Faktoren? Beides sind wichtige Fragen für diejenigen, die sich auf kommunaler Ebene mit der strukturellen Verankerung von BNE in kommunalen Bildungslandschaften beschäftigen (vgl. Was charakterisiert eine strukturelle Verankerung von BNE in Kommunen?)

Datengrundlage für die folgenden Darstellungen ist die erste Welle der quantitativen Expertenbefragung innerhalb des Projekts „Bildung – Nachhaltigkeit – Kommune“ (nähere Informationen hierzu: Methodenbericht).

Ergebnisse

Zunächst wurden die Befragten der ersten Welle gebeten anzugeben, ob in ihrer Institution/Organisation der Begriff „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ verwendet wird. Dies war bei 57% der Befragten (N=340) der Fall. Nur diesen Personen wurde anschließend die Frage gestellt, inwieweit der WIA als wichtiger Aspekt von BNE in ihrer Institution/Organisation berücksichtigt wird. Von den 322 Personen, die die Frage nach dem WIA dann auch tatsächlich beantworteten, gaben 49% an, dass der WIA bei ihnen in der Organisation/Institution voll und ganz oder eher zum Tragen kommt. Deutlich weniger Befragte, nämlich 18%, verneinten dies ganz oder eher. 33% der Befragten waren der Meinung, dass der WIA teilweise zum Tragen kommt (siehe Abbildung 1). 

Die hohen Zustimmungswerte zur Frage nach dem Vorliegen des WIA sind bemerkenswert. Allerdings handelt es sich bei den Befragten auch um Vertreter:innen von Institutionen/Organisationen, die sich schon explizit mit BNE beschäftigen. Somit sind keine Aussagen über die quantitative Verbreitung des WIA innerhalb von Kommunen möglich, aber es zeigen sich Indizien dahingehend, dass die Beschäftigung mit BNE nicht nur auf den curricularen Bereich beschränkt bleibt, sondern verstärkt mit der Organisationstransformation im Sinne eines WIA einhergeht.

Davon ausgehend stellt sich die Frage, ob der WIA in bestimmten Akteursgruppen schon besonders stark umgesetzt wird. Die Ergebnisse dieser Frage sind in Abbildung 2 dargestellt. Abgebildet sind jeweils die Gruppenmittelwerte, d. h. wie die Befragten der jeweiligen Akteursgruppen im Mittel das Vorhandensein eines WIA einschätzten. Hierbei zeigt sich, dass der WIA in Organisationen der Zivilgesellschaft und Wirtschaft deutlich häufiger zum Tragen kam als in Organisationen der Verwaltung und in Bildungseinrichtungen.

Eine mögliche Erklärung für diesen Befund könnte sein, dass Verwaltungen und Bildungseinrichtungen häufiger mit bürokratischen Hürden zu kämpfen haben, die den Wandel einer Organisationskultur hin zu BNE, auch im Sinne des WIA, deutlich verlangsamen (Jossin/Hollbach-Grömig 2020, S. 26). Außerdem ist „der öffentliche Sektor traditionell nicht für seine Innovationsfähigkeit bekannt“ (Borins, 2001; zit. n. Raffer/Buchmann/Schneider 2023, S. 10). Diese Hürden sind hinsichtlich der notwendigen gesellschaftlichen Transformation hin zu einer nachhaltigen Entwicklung problematisch, können aber auch positiv gelesen werden. Auf der einen Seite zeigt sich, dass Verwaltung und Bildungseinrichtungen hier noch Nachholbedarf haben. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber auch, dass es in der jeweiligen kommunalen Bildungslandschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit Vorreiterorganisationen gibt, die mit ihren Erfahrungen die Transformationsbemühungen weiter unterstützen können.

Daran schließt sich die Frage an, ob es bestimmte Aspekte gibt, die für die Umsetzung des WIAs in Organisationen/Institutionen förderlich sind?

Ein gemeinsames Verständnis von BNE wäre nach den vorliegenden Daten ein solcher Aspekt. Befragte aus Institutionen/Organisationen, in denen ein gemeinsames Verständnis von BNE vorhanden ist, gaben mit einem Mittelwert von 3,8 häufiger an, dass der WIA bei ihnen umgesetzt wird, als Befragte aus Institutionen ohne gemeinsames Verständnis von BNE (Mittelwert 2,8). Der positive Effekt des Vorhandenseins eines gemeinsamen BNE-Verständnisses kann dahingehend interpretiert werden, dass sich die Institution/Organisation bereits mit BNE beschäftigt. Das ist daher zu vermuten, dass in der Auseinandersetzung mit BNE auch damit verbundene Themen wie Nachhaltigkeit aufgegriffen werden und somit Eingang in unterschiedliche Bereiche der Institution/Organisation finden. Das führt dazu, dass der WIA innerhalb der Institution/Organisation stärker zum Tragen kommt.

Auch die Dauer der Beschäftigung der Institution/Organisation mit dem Thema BNE ist ein förderlicher Aspekt. Sie korreliert mit der Anwendung des WIA mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,343 (Rangkorrelation nach Spearman) auf hohem Niveau. D.h. je länger sich eine Institution/Organisation bereits mit BNE beschäftigt hat, desto eher wird der WIA in der Institution/Organisation angewendet. Dieses Ergebnis kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass mit zunehmender Auseinandersetzung mit BNE Nachhaltigkeit zu einem Querschnittsthema innerhalb der Institution/Organisation zu werden scheint und somit vermutlich vermehrt auf unterschiedlichen Ebenen, wie z.B. Mitarbeiterführung oder Bewirtschaftung, mitgedacht wird.

Was bedeutet das für die Praxis?

Als wichtige Ansatzpunkte für die Implementierung eines WIA können daher die Erarbeitung eines gemeinsamen BNE-Verständnisses und die kontinuierliche Beschäftigung mit der BNE-Thematik angesehen werden. Wie weit der WIA in den mit Bildung und Nachhaltigkeit befassten Organisationen und Institutionen in den Modellkommunen verbreitet ist, lässt sich auf Basis der vorliegenden Daten nicht sagen. Es zeigt sich jedoch, dass in einem Großteil der Organisationen und Institutionen, die den Begriff BNE in irgendeiner Form verwenden (z.B. für Bildungsangebote, für Ziele, Maßnahmen, Strategien, Beschlüsse, für die Außendarstellung), auch ein WIA teilweise oder vollständig Anwendung findet. Dies ist ein erfreuliches Ergebnis, da einer nachhaltigkeitsorientierten Organisationsgestaltung ein positiver Einfluss auf individuelle Lernprozesse für eine nachhaltige Entwicklung zugeschrieben wird (Holst 2023, S. 1016; Grapentin-Rimek 2019, S. 6; de Haan 2018, S. 17). 

Insbesondere die Verwaltung und Bildungseinrichtungen haben jedoch noch Nachholbedarf in Bezug auf den WIA. Sie können dabei aber auf die Erfahrungen der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft zurückgreifen. 

Literatur

de Haan, Gerhard (2018): Allgemeine Einführung zum Stand der Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland. In: Antje Brock, Gerhard de Haan, Nadine Etzkorn und Mandy Singer-Brodowski (Hg.): Wegmarken zur Transfor-mation. Nationales Monitoring von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich (Schriftenreihe "Ökologie und Erziehungswissenschaft" der Kommission Bildung für eine nachhaltige Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE)), S. 13–24.

Grapentin-Rimek, Theresa (2019): BNE-Bildungslandschaften – Kommunen als Schlüsselstellen für eine gesellschaftliche Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung. Executive Summary. Hg. v. Freie Universität Berlin Institut Futur. Berlin. Online verfügbar unter https://www.ewi-psy.fu-berlin.de/einrichtungen/weitere/institut-futur/Projekte/Abgeschlossene-Projekte/WAP_BNE/Executive-Summaries/WAP_BNE_ES_Kommunen.pdf, zuletzt geprüft am 20.07.2020.

Holst, Jorrit (2023): Towards coherence on sustainability in education: a systema-tic review of Whole Institution Approaches. In: Sustainability Science 18 (2), S. 1015–1030. 

Jossin, Jasmin; Hollbach-Grömig, Beate (2020): Fallstudien guter Praxis der BNE-Verankerung in Kommunen. Projektbericht. Unter Mitarbeit von Sebastian Köllner, Hanna Gieseler und Holz Philipp. Deutsches Institut für Urbanistik. Berlin. Online verfügbar unter https://difu.de/sites/default/files/media_files/2020-05/projektbericht_bne-verankerung.pdf, zuletzt geprüft am 29.07.2020. 

Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung (2017): Nationaler Akti-onsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung. Der deutsche Beitrag zum UNE-SCO-Weltaktionsprogramm. Berlin. 

Raffer, Christian; Buchmann, Felix; Schneider, Stefan (2023): Erfolgreiche Nach-haltigkeitstransformation in der Kommunalverwaltung. Organizational change im öffentlichen Sektor – inhaltliche Dimensionen, Hürden und Erfolgsbedingungen. Hg. v. Deutsches Institut für Urbanistik. Berlin.


| Maria Albrecht
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