Methodenbericht
Im Rahmen des Modellprojekts "BNE-Kompetenzzentrum: Bildung – Nachhaltigkeit – Kommune" wurde zur Erfassung wichtiger Aspekte einer strukturellen Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in kommunalen Bildungslandschaften eine dreiwellige quantitative Befragung von Vertreterinnen und Vertretern von Organisationen und Institutionen in den Modellkommunen durchgeführt.
Hauptziel der Erhebungen war es, relevante Aspekte hinsichtlich einer strukturellen Verankerung von BNE in kommunalen Bildungslandschaften zu erfassen, um zum einen die Ausgangssituationen der Kommunen bestimmen zu können und zum anderen Veränderungen während der Prozesslaufzeit in den Blick nehmen zu können.
Die Erhebung wurde als interne formative Evaluation, d.h. als prozessbegleitende Evaluation konzipiert, um Erkenntnisse zeitnah in den Projektverlauf (Hupfer 2007, S. 22) und die Prozessbegleitung vor Ort zurückspiegeln zu können.
Nachfolgend wird ein kurzer Überblick über verschiedene methodische Aspekte dieser Erhebung(en) gegeben, um zu erläutern, wer auf welche Art und Weise befragt wurde, welche Aspekte abgefragt wurden und welche Datengrundlage damit generiert werden konnte.
Auswahl der Modellkommunen
Die Auswahl der Modellkommunen für das BNE-Kompetenzzentrum wurde anhand regionaler Verteilungen (Bundesländer), administrativer Merkmale (kreisfreie Stadt/Landkreis/kreisangehörige Kommune) sowie nach einer durch das Projekt vorgenommenen Einschätzung des BNE-Entwicklungsstandes durchgeführt. Letzteres wurde z.B. durch Merkmale wie das Vorhandensein von Agenda 21 bzw. Agenda 2030-Prozessen, einschlägigen BNE- oder nachhaltige Entwicklung (NE)-Auszeichnungen und bereits existierender BNE- bzw. NE-Strukturen entschieden.
Ziel war es die Kommunen möglichst heterogen auszuwählen. Demnach war zum einen eine Verteilung über alle Bundesländer (ausgenommen waren die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen) angestrebt, die sowohl Landkreise, kreisfreie Städte als auch kreisangehörige Kommunen enthält. Dieses Ziel konnte mit der Stichprobe erreicht werden. Zum anderen sollten die Kommunen hinsichtlich des BNE-Entwicklungsstandes möglichst unterschiedlich sein. Hintergrund hierfür war es, die Vielfalt von kommunalen Bedingungen für den Verankerungsprozess von BNE in den Blick nehmen zu können. Grundvoraussetzung der finalen Auswahl war die Bereitschaft der Kommunen an dem Modellprojekt teilzunehmen.
Nähere Informationen zur Auswahl der Modellkommunen sind zu finden auf unserer Website (Vgl. Kriterien und Auswahlverfahren) sowie im Discussion Paper Strukturelle Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in kommunale Bildungslandschaften (BNE-Kompetenzzentrum 2021, S. 56-58).
Die Befragung erfolgte in allen 48 Modellkommunen des Projekts. In der dritten Welle waren nur noch 46 Kommunen in die Abfrage eingebunden, da zwei Kommunen aus dem Begleitprozess ausgestiegen sind.
Auswahl der Befragten
Um möglichst viele relevante BNE-Perspektiven in den Modellkommunen in den Befragungen erfassen zu können, waren für die Erhebung alle Organisationen bzw. Institutionen von Interesse, die sich direkt mit BNE beschäftigen oder im weiteren Sinne im Feld von BNE tätig sind, z.B. in der Umwelt- oder politischen Bildung.
Hierzu wurden Organisationen und Institutionen aus folgenden Bereichen angeschrieben:
- der Politik und Verwaltung,
- der formalen und non-formalen Bildung,
- der Zivilgesellschaft,
- der Wirtschaft sowie aus
- der Wissenschaft.
Befragt wurden dabei sowohl Einrichtungen mit und ohne eigene Bildungsangebote.
Akquise
Die Befragten wurden vorab auf zwei Wegen akquiriert. Zunächst wurden die Ansprechpersonen aus den 48 Modellkommunen, welche direkt mit dem Modellprojekt zusammenarbeiten, gebeten, relevante Einrichtungen zu benennen. Durch die Abfrage konnten 755 Organisationen und Institutionen für die Befragung ermittelt werden. Diese Kontaktdaten wurden durch weitere Adressen aus einer Onlinerecherche ergänzt. Auf diesem Weg konnten zusätzlich 1140 Adressen identifiziert werden. Insgesamt konnte die Erhebung der ersten Welle mit 1908 Adressen gestartet werden. (Da während der Erhebungszeit weitere 13 Befragte durch Teilnehmende an der Befragung ergänzt und mit in die Befragung aufgenommen wurden.)
Für die zweite und dritte Welle wurden nur die Personen kontaktiert, die im vorherigen Fragebogen einer weiteren Teilnahme ausdrücklich zugestimmt haben. Um den Ausfall in der zweiten Erhebungswelle zu kompensieren, erfolgte erneut eine Nachrecherche.
In der ersten Welle stimmten einer weiteren Befragung 365 Befragte zu. 346 zusätzliche Kontakte wurden daraufhin für die zweite Welle nachrecherchiert. Somit konnten für die zweite Welle 711 Akteurinnen und Akteure kontaktiert werden.
Für die dritte Welle standen 220 Adressen zur Verfügung. Für die dritte Welle wurde auf weitere Nachrecherchen verzichtet.
Fragen und Gegenstandsbereich
Der Schwerpunkt der Befragung war, Aussagen über die strukturelle Verankerung von BNE in der kommunalen Bildungslandschaft zu ermöglichen. Dafür wurden die Personen gebeten, verschiedene Fragen aus Sicht ihrer Einrichtung, Institution oder Organisation zu beantworten. Die Fragen bezogen sich auf:
- die Rolle von BNE innerhalb der Institution/Organisation,
- die Sicht auf die kommunale Bildungslandschaft, und hier insbesondere auf:
- Akteurinnen und Akteure innerhalb der Kommune,
- die Zusammenarbeit sowie
- Strukturen (z.B. runde Tische, Beiräte) und Berichte,
- die Rolle von BNE in der Kommune, und hier insbesondere auf:
- die Sichtbarkeit von BNE in der Kommune,
- das BNE-Verständnis sowie
- Ansprechpersonen und kommunale Strategien,
- Netzwerke,
- BNE-Bildungsangebote und
- Einschätzungen:
- zum BNE-Entwicklungsstand,
- zur generellen Relevanz von BNE in der Kommune,
- zum Handlungsbedarf bei der Verankerung von BNE in der Kommune,
- zur Zusammenarbeit mit dem BNE-Kompetenzzentrum sowie
- zur Zufriedenheit mit dem aktuellen Verankerungsstand von BNE in der Kommune.
Die verschiedenen Aspekte variieren zwischen den Wellen. Nicht alle Aspekte wurden in allen Wellen erhoben. Für die zweite Welle wurde der Fragebogen angepasst. So wurden Fragen entfernt, die sich als ungeeignet herausgestellt haben und neue Items ergänzt. Die Fragen wurden noch gezielter auf das Forschungsinteresse auf kommunaler Ebene ausgerichtet und die im Projektverlauf herausgearbeiteten Handlungsfelder in den Blick genommen. (Nähere Informationen zu den Handlungsfeldern gibt es in der Infothek auf unserer Website).
Für die dritte Erhebung wurde im Wesentlichen der Fragebogen der zweiten Welle beibehalten, und nur punktuell modifiziert.
Erhebungsmodus
Die Befragungen erfolgten online. Die Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen erhielten per Mail einen personalisierten Link für die Teilnahme. In der zweiten Welle wurde zusätzlich eine nichtpersonalisierte Umfrage generiert. Dieser Befragungslink wurde an die Ansprechpersonen der Modellkommunen geschickt, so dass diese die Umfrage an weitere relevante Akteurinnen und Akteure oder über Verteiler weiterleiten konnten. Die Teilnahme an dem offenen Zugangslink war jedoch nur gering (23 Fälle).
Erhebungszeitraum
Die Befragung erfolgte zu drei Zeitpunkten. Eine Wiederholungsbefragung wurde gewählt, da es dadurch möglich wird, Veränderungen über die Zeit hinweg zu messen und kausale Zusammenhänge zu untersuchen (Brüderl 2010, S. 964).
- Erhebungszeitraum Welle 1: Dezember 2021 – März 2022
- Erhebungszeitraum Welle 2: Januar 2023 – Mai 2023
- Erhebungszeitraum Welle 3: Mai 2024 – Juli 2024
Rücklauf und Zusammensetzung der Stichprobe
Von den 1908 angeschriebenen Akteurinnen und Akteuren der ersten Welle füllten 679 die Umfrage aus, davon 469 vollständig. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 25% bezogen auf die vollständigen Interviews (vgl. Tabelle 1).
Es zeigt sich, dass 65% der Antworten aus kreisfreien Städten, ein Viertel aus Landkreisen und etwa 9% aus kreisangehörigen Kommunen stammen (vgl. Tabelle 2). Diese Verteilung ist nicht überraschend, da der Anteil an Kontaktdaten aus urbanen Regionen von vornherein größer war als aus ländlichen Regionen.
In der zweiten Welle wurden 347 Fragebögen ausgefüllt, davon 261 vollständig. Dies entspricht einer Rücklaufquote (vollständigen Antworten) von 37%. Hinzukommen 23 Rückläufe der offenen Abfrage. Insgesamt liegen für die zweite Welle somit 370 Fälle vor (vgl. Tabelle).
Welle 1 | Welle 2 | Welle 3 | |
Angeschriebene Adressen | 1908 | 711 | 220 (davon 6 unzustellbar) |
Realisierte Interviews (bereinigt) | 679 | 347 (+ 23 aus offener Abfrage) | 128 |
davon vollständige Interviews | 469 | 261 (+ 14 aus offener Abfrage) | 95 |
Rücklaufquote (bezogen auf die vollständigen Interviews) | 24,58% | 36,71% | 44,39% |
Rücklauf pro Kommune | zw. 4 - 34 Antworten pro Kommune | zw. 2 - 16 Antworten pro Kommune | zw. 1 - 6 Antworten pro Kommune |
Auch in Welle 2 kommen mit 57% die meisten Rückläufe aus kreisfreien Städten. Aus Landkreisen stammen 33% der Antworten und 10% aus kreisangehörigen Kommunen (vgl. Tabelle 2).
In der dritten Welle konnten von den 220 angeschriebenen Adressen 128 Interviews realisiert werden. 95 der realisierten Interviews waren vollständig, somit ergibt sich eine, auf diese Fälle bezogene, Rücklaufquote von 44,4% (vgl. Tabelle 1). (Es konnte bei sechs Adressen die Umfrage nicht zugestellt werden. Diese Fälle wurden bei der Berechnung der Rücklaufquote nicht berücksichtigt.)
Hinsichtlich der Verteilung über die Gebietskörperschaften zeigt sich bei der dritten Welle ebenfalls ein ähnliches Bild wie in den vorherigen Wellen. Geringfügige Abweichungen zeigen sich bei Landkreisen und kreisangehörigen Kommunen. Bei letzterem ist der Anteil minimal gestiegen und bei Landkreisen etwas gesunken (vgl. Tabelle 2).
In den ersten beiden Wellen liegen für alle Kommunen Antworten vor . Die Verteilung des Rücklaufs über die Modellkommunen hinweg schwankt jedoch stark. In der ersten Welle liegen zwischen 4 und 34 Antworten pro Kommune vor und in der zweiten Welle zwischen 2 und 16 pro Kommune (vgl. Tabelle 1). In der dritten Welle liegen von 46 kontaktierten Kommunen Antworten aus 41 Kommunen vor. Kein Rücklauf liegt dabei in zwei kreisfreien Städten und drei Landkreisen vor. Der Rücklauf hier pro Kommune schwankt zwischen einer und sechs Antworten.
Welle 1 | Welle 2 | Welle 3 | |
Kreisfreie Städte | 65% | 57% | 56% |
Landkreise | 26% | 33% | 31% |
Kreisangehörige Kommunen | 9% | 10% | 13% |
Grenzen der Erhebung
1. Aufgrund des beschriebenen Auswahlverfahrens der Modellkommunen können die Ergebnisse nicht als Aussagen zum Entwicklungsstand von BNE in kommunalen Bildungslandschaften in Deutschland insgesamt interpretiert werden. Dies war auch nicht das Ziel der Erhebung, sondern die Aufklärung von Zusammenhängen und Wirkmechanismen (Diekmann 2009, S. 431).
2. Auch hinsichtlich der befragten Akteurinnen und Akteuren innerhalb der Kommunen kann nicht von einer repräsentativen Zusammensetzung der Stichprobe ausgegangen werden. Diese ist maßgeblich abhängig von der Zugänglichkeit der Adressen. Kontakte, die nicht von den Ansprechpersonen der Modellkommunen übermittelt wurden und die online nicht ausfindig gemacht werden konnten, waren von vornherein aus der Umfrage ausgeschlossen. Weiterhin ergibt sich durch die Recherche in der Verteilung der Adressen auch deswegen eine mögliche Verzerrung, weil nicht auf eine repräsentative Verteilung verschiedener Akteursgruppen geachtet wurde.
3. Die Erhebungsmethode einer quantitativen onlinebasierten Mehrfachbefragung hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen insbesondere darin, dass mit relativ überschaubarem Aufwand eine Vielzahl von Informationen von einer Vielzahl von Befragten gewonnen werden kann, die standardisiert ausgewertet und Ergebnisse somit zeitnah zur Verfügung gestellt werden können. Ein Nachteil hingegen ist, dass auf Grund der vorformulierten Fragen und Antworten Sachverhalte unentdeckt bleiben können, da über die Fragen hinaus kein Wissen generiert werden kann (Röbken/Wetzel Kathrin 2016, S. 15). Um die Daten zu ergänzen wurden weitere Befragungen im Projekt durchgeführt: Eine quantitative Adressatenbefragung, eine qualitative Expertenbefragung in zwei Wellen sowie eine Fokusgruppenbefragung mit der Prozessbegleitung des BNE-Kompetenzzentrums.
Literatur
Diekmann, Andreas (2009): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Reinbek bei Hamburg
Hupfer, Barbara (2007): Wirkungsorientierte Programmevaluation. Eine Synopse von Ansätzen und Verfahren einschlägiger Institutionen in Deutschland. Bonn
Röbken, Heinke/Wetzel Kathrin (2016): Qualitative und quantitative Forschungsmethoden. Oldenburg