Um nachhaltiges Handeln sowohl innerhalb der Stadtverwaltung als auch in der Stadtgesellschaft voranzubringen, müssen verschiedene Arbeitsbereiche in der Kommune kooperieren. Die Erfahrung zeigt, dass einzelne Verwaltungsmitarbeiter:innen sonst schnell an Grenzen stoßen. Wie kann man die amts- und dezernatsübergreifende Kooperation im Sinne der Nachhaltigkeit fördern? Die Stadt Reutlingen hat sich auf den Weg gemacht.
Einen gemeinsamen Ansatzpunkt finden
Zu Beginn des Jahres 2021 gab es in der Stadtverwaltung von Reutlingen Mitarbeiter:innen, die an unterschiedlichen Stellen an Querschnittsthemen arbeiteten: Die städtische Task-Force Klima und Umwelt beabsichtigte im Rahmen des Reutlinger Klimaziels eine größere Breitenwirkung zu erzielen und gemeinsam mit Kolleg:innen und Bewohner:innen Wege zu nachhaltigerem und klimafreundlicherem Handeln zu finden. Das städtische Bildungsbüro hingegen suchte einen Ansatzpunkt, um die Reutlinger Nachhaltigkeitsziele mit dem Bildungsbereich zu verknüpfen. In einem Treffen formulierten die Kolleg:innen beider Bereiche Ihre Bedarfe und schufen die Verbindung ihrer Arbeitsfelder: Unter dem Dach der UN-Nachhaltigkeitsziele und der Klammer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) fanden sie mit der Schwerpunktsetzung auf Klimaschutz einen gemeinsamen Nenner und gemeinsame Ziele. Als Reutlingen im August 2021 eine Zielvereinbarung mit dem BNE-Kompetenzzentrum schloss und somit BNE-Modellkommune wurde, wurde die Zusammenarbeit des Bildungsbüros und der Task-Force Klima und Umwelt dort festgeschrieben. Zudem wurde die verwaltungsinterne Zusammenarbeit im Sinne der Nachhaltigkeit als allgemeines Ziel formuliert.
Konkrete Ziele als Antrieb nutzen
Das neue Team verfolgte nicht nur allgemeine Ziele, wie die Vernetzung von Bildungsakteurinnen und -akteuren innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung. Einige Bestrebungen der Stadt legten nahe, Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung in ganz konkreten Zusammenhängen zu fördern, beispielsweise die beantragte Biosphärengebietserweiterung auf die Reutlinger Innenstadt, der Bau der Regionalstadtbahn als Baustein für eine Verkehrswende und die beabsichtigte Austragung der Bundesgartenschau.
Engagement bündeln und wirksam werden
Um gemeinsame, zukünftige Schritte zu planen setzten das Bildungsbüro und die Task-Force Klima und Umwelt einen regelmäßigen Besprechungstermin an.
Im Austausch mit weiteren Ämtern und Dezernaten entstand unter anderem die Idee für einen gemeinsamen Aktionstag. Beteiligt waren beispielsweise auch Kulturschaffende, offene Jugendarbeit und die Technischen Betriebsdienste. Für den Aktionstag sollte ein bestehendes Reutlinger Event mit dem Nachhaltigkeitsaspekt bereichert und damit viele Besucherinnen und Besucher erreicht werden.
Eine Stakeholder-Analyse machte neben den (B)NE-Akteurinnen und -Akteuren weitere potentielle Mitwirkende aus dem ökonomischen und sozialen Bereich der Stadtgemeinschaft sichtbar.
Den Schulterschluss über alle Ämter und Stadtkonzerne hinweg erreichen
Im Laufe der Umsetzung des Aktionstages wurde erkennbar, dass der notwendige Schulterschluss für eine gemeinsame Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen kein Selbstläufer war. Gleichzeitig waren für die Verwaltungsspitze Nachhaltigkeitsziele und übergreifende Zusammenarbeit wichtige Konzepte. Wie konnte man den Schulterschluss erreichen? Die monatlich stattfindende Konzern-Dienstbesprechung erschien als geeignetes Forum. Das ist ein Termin, bei dem sich unter der Moderation des Oberbürgermeisters die Amtsleitungen und die Leitungen der städtischen Tochtergesellschaften (vom Amt für öffentliche Ordnung bis zur Stadtentwässerung usw.) austauschen. In einem Schreiben des Oberbürgermeisters an die Teilnehmenden der Konzern-Dienstbesprechung wurde das Vorgehen und die Zielsetzung erläutert. Den Auftakt machte das BNE-Kompetenzzentrum in Zusammenarbeit mit dem Reutlinger Bildungsbüro mit einem Video-Vortrag, in dem unter anderem der Whole Institution Approach und die besondere Rolle der Führungskräfte erläutert wurde.
Seit April 2024 ist vorgesehen, dass in der Regel der erste Tagesordnungspunkt (TOP) "Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Stadtkonzern RT" lautet.
In diesem TOP stellt ein Amt oder ein städtisches Tochterunternehmen eigene Nachhaltigkeitsbemühungen unter folgenden Fragestellungen vor:
- „Was läuft gut?
- Was können andere von Ihnen lernen?
- An welchen Stellen gibt es Hemmnisse?
- Und: welche Verbindungsprojekte können Sie sich vorstellen?“
Unter Verbindungsprojekten versteht man Projekte, bei denen mindestens zwei unterschiedliche Ämter oder Dezernate zusammenarbeiten.
Die Task-Force Klima und Umwelt sammelt die Anmeldungen für die nächsten Vorstellungen in den folgenden Terminen, ebenso Ideen für die Verbindungsprojekte, die die Grundlage für einen Projekte-Workshop in 2025 sein werden.
Formelle und informelle Formate stoßen neue Entwicklungen an
Parallel hierzu laufen weitere Prozesse: Beispielsweise hat sich im Zuge der Teilnahme der Stadtverwaltung & Friends an der globalen Aktion Veganuary unter der Regie des Bildungsbüros ein gemeinsamer klimafreundlicher Mittagstisch gegründet. Einmal monatlich gehen Interessierte zusammen essen und tauschen sich während der Mittagspause im lockeren Rahmen unter anderem zu Klimaschutz-Ideen aus. Ein Schneeballeffekt tritt ein. Aus dem Vorschlag, die Verpflegung bei städtischen Veranstaltungen nachhaltiger zu gestalten, wurden Leitlinien für das zukünftige städtische Verpflegungsangebot erstellt. Im stadtinternen Intranet wurde ein "Arbeitsraum Veganuary" geöffnet, der zukünftig zum "Arbeitsraum Nachhaltigkeit und Klimaschutz" umgestaltet werden soll. In diesen informellen und formellen Formaten können Nachhaltigkeitsziele amts- und dezernatsübergreifend entwickelt und in den Stadtkonzern eingespeist werden.
Fazit
Nachhaltigkeitsziele und Bildung für nachhaltige Entwicklung regen in einer Stadtverwaltung bereichsübergreifende Prozesse an, die eine innovative und moderne Verwaltung fördern. Diese schließen amts- und dezernatsübergreifende Zusammenarbeit ein - eine Zusammenarbeit, die sowohl von der Mitarbeiterschaft als auch von der Verwaltungsspitze in Reutlingen erwünscht ist.