Interkommunale Qualifizierung zum Handlungsfeld Strategie und Ziele

Strategie und Ziele

Wie können BNE-Ziele formuliert und verfolgt werden?

Damit die Zusammenarbeit in der Kommune in Sachen BNE gelingt, braucht es gemeinsame Ziele. Ein geteiltes BNE-Verständnis, Leitbilder, Strategien und Beschlüsse sind Möglichkeiten, sich darauf zu verständigen.

„Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“ Diese alte chinesische Weisheit von Laotse spielt auch bei der strukturellen Verankerung von BNE in kommunalen Bildungslandschaften eine zentrale Rolle. Die Formulierung von Zielen und die Entwicklung von Strategien, um die Ziele auch tatsächlich zu erreichen, sollten deshalb immer am Anfang stehen. Nur so finden Sie einen gemeinsamen Ausgangspunkt mit anderen Beteiligten, stellen Verbindlichkeit her und ermöglichen die Orientierung über den gesamten BNE-Prozess (Albrecht/Mögling 2021, S. 69).

Erst durch das Formulieren konkreter Ziele können Aktivitäten und Maßnahmen abgeleitet werden, mit deren Hilfe Ihre gewünschten Vorhaben erreicht werden sollen. Dabei sollten Sie bedenken, dass sowohl die Ziele selbst als auch der Prozess der Zielsetzung in jeder Kommune sehr unterschiedlich ausfallen können. Passen Sie die Ziele immer Ihrem jeweiligen kommunalen Kontext an und überlegen Sie, welche Möglichkeiten, aber auch Grenzen sich in Ihrer Kommune zeigen, die für die Zielsetzung beachtet werden sollten. Ebenso können in Kommunen starke Unterschiede in der Detailliertheit der Zielsetzung bestehen (Euler/Sloane 2015, S. 4).

Wichtige Begriffe und ihre Bedeutung

Für die Entwicklung von Strategien oder das Formulieren und Bearbeiten von BNE-Zielen können Sie verschiedene Verfahren anwenden. Sie können bei der Erarbeitung eines gemeinsamen BNE-Verständnisses und von Leitbildern sowie bei den darauf aufbauenden konkreten Strategien und Beschlüssen ansetzen. Es folgt zunächst eine kurze theoretische Einführung in diese vier Ansatzpunkte, und im Anschluss daran wird praxisnah erläutert, wie Sie diese in der Kommune erarbeiten können.

„Wenn wir jetzt ein gemeinsames ‚BNE-Verständnis‘ von 15 Akteuren, Bildungsakteuren in der Stadtverwaltung herstellen wollen, da denke ich mal, werden wir auf eine große, große Meinungsvielfalt stoßen. Es ist aber unbedingt erforderlich, dass hier alle mit der gleichen Stimme sprechen, denn es wird nicht ausbleiben, dass wir hier Personal-
oder Finanzbedarfe erzeugen. Wenn wir sagen ‚Wir brauchen die eine oder andere Routine, die in dieser Stadtverwaltung installiert sein muss, um zu gewährleisten, dass‘, dann muss dieses ‚dass‘ ausbuchstabiert werden können. Und da können nicht fünf Amtsleiter fünf verschiedene Dinge vorschlagen.“

Stimme aus der Verwaltung

Gemeinsames BNE-Verständnis – ein einheitlicher Bezugsrahmen

Bevor Sie zusammen mit anderen Beteiligten in der Kommune gemeinsame Ziele vereinbaren, sollten Sie ein von allen geteiltes Verständnis von Bildung für nachhaltige Entwicklung herstellen. Zwar gibt es allgemeine Merkmale (siehe Kap. „Um was geht es?“), dennoch erscheint das Allgemeine häufig in einem anderen Licht, wenn man es im besonderen Fall der jeweiligen Kommune betrachtet. Zudem führt die Vielschichtigkeit des BNE-Begriffs dazu, dass unterschiedliche Akteurinnen und Akteure oder auch Organisationen unter schiedliche Verständnisse von BNE haben oder auch noch keines. Ein gemeinsames BNE-Verständnis zu erarbeiten und festzuhalten, macht die Thematik in Ihrer Kommune weniger beliebig und stellt sicher, dass alle Beteiligten BNE ähnlich auslegen und an einem Strang ziehen (Grapentin-Rimek 2019a, S. 254).

Sinnvoll ist es, im Verlauf des Prozesses in gewissen zeitlichen Abständen das erarbeitete BNE-Verständnis zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Auch in Interviews mit Expertinnen und Experten wird die Bedeutung eines gemeinsamen BNE-Verständnisses als Ausgangspunkt für die Bearbeitung der BNE-Thematik deutlich.

Auf der einen Seite ist es wichtig, das breit gefächerte Konzept BNE genauer zu definieren und von anderen Themen abzugrenzen. Zum anderen ermöglicht die Bandbreite des Begriffs die Verknüpfung und Verschränkung mit vielen weiteren Bereichen und Konzepten, zum Beispiel mit der kulturellen und politischen Bildung sowie den Themen Fachkräftemangel und Digitalisierung (Grapentin-Rimek 2019b, S. 3–5). 

Ein gemeinsames BNE-Verständnis kann hilfreich sein, um allen Beteiligten einen einheitlichen Bezugsrahmen zu bieten. Aber ein gemeinsamer Bezugsrahmen ist noch kein Ziel. Ein guter Ansatz für die Formulierung von allgemein geteilten Zielen ist ein Leitbild.

Leitbild – den Wunschzustand definieren

Ein Leitbild zu entwickeln, ist eine gute Möglichkeit, das Thema Strategie und Ziele zu BNE in Ihrer Kommune zu bearbeiten. In
einem Leitbild können Mitarbeiter:innen aus verschiedenen Ressorts der Kommunalverwaltung mit Akteurinnen und Akteuren aus der BNE-Landschaft ein Selbstverständnis „im Sinne eines positiven Selbstbildes, an dem die internen Handlungen orientiert sein sollen“ (Lambrecht 2016, S. 253), festhalten. Sie sollten dafür gemeinsam einen Wunschzustand Ihrer Kommune im Hinblick auf BNE beschreiben, damit allen Beteiligten das Ziel klar vor Augen steht. So kann ein Leitbild Ihrer Kommune und allen am BNE-Prozess beteiligten Akteurinnen und Akteuren „als Orientierung und Grundlage zur Weiterentwicklung“ (Durand 2017, S. 22) von BNE dienen, aber auch als Legitimation für die Formulierung von Ansprüchen. Es ist viel einfacher für Akteurinnen und Akteure, konkrete Vorstellungen durchzusetzen, wenn sie sich dabei auf allgemeine und vor allem kommunal
anerkannte Leitbilder berufen können.

Sofern Sie mit den anderen Beteiligten bereits ein BNE-Verständnis ausgehandelt haben, sollte dieses als Bezugsrahmen für die Entwicklung eines Leitbildes genutzt werden. Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, können Sie den Leitbildprozess starten. Schließlich soll der Einbezug von BNE in ein Leitbild Ihrer Kommune dabei helfen, sich im Hinblick auf Bildung für nachhaltige Entwicklung auszurichten und das Thema in die Verwaltung, aber auch in die Öffentlichkeit zu tragen.

Auch während der Leitbildentwicklung kann zeitgleich an einem gemeinsamen BNE-Verständnis gearbeitet werden. Indem Sie BNE in das Leitbild einbeziehen, wird zum einen die Sichtbarkeit des Themas gesteigert (siehe Kap. 6 „Sichtbarkeit und Kommunikation“), und zum anderen verdeutlichen Sie, dass Ihre Kommune sich dem Thema BNE widmen und auch damit in Verbindung gebracht werden möchte. Es dient sozusagen als ein „offizielles Bekenntnis“ (Lambrecht 2016, S. 253) zu BNE.

Nicht zuletzt können auf der Basis eines Leitbildes weitere Entscheidungen getroffen und Handlungen koordiniert werden. So ist ein bestehendes Leitbild ein idealer Ausgangspunkt für die Entwicklung und Überarbeitung von Strategien mit BNE-Bezug.

Strategien – Pläne schmieden

Strategien, um das Thema BNE auf kommunaler Ebene voranzubringen, können an einem bereits vorhandenen Leitbild und BNE-
Verständnis Ihrer Kommune ansetzen. Existieren diese noch nicht, sollte deren Erarbeitung im Vordergrund stehen. Aber auch ohne ein gemeinsames BNE-Verständnis oder Leitbilder ist es möglich, sich dem Thema Strategie zu widmen.

Die kommunale Verankerung von BNE wird oftmals als langwierig beschrieben, da „[l]angfristige Lernerfolge und nachhaltiges Handeln (Wirkungserfolge) durch BNE“ (Grapentin-Rimek 2019a, S. 256) nicht direkt gemessen und nachgewiesen werden können. Mögliche Mehrwerte von BNE-Aktivitäten sind überwiegend nicht unmittelbar erkennbar. Dies kann zu einem Motivationsverlust führen und zur Abkehr vom Thema beitragen. Deshalb ist eine Strategie wichtig; sie kann dabei helfen, am Ball zu bleiben.

Im Gegensatz zum Leitbild sollte eine Strategie stets konkrete Ziele sowie einzelne Schritte zur Verankerung von BNE enthalten. Sie kann als ein präziser mittel- oder längerfristiger Plan von Handlungen, mit denen die Kommune ein gesetztes Ziel verwirklichen möchte, verstanden werden. Diese detaillierte Herangehensweise macht es möglich, dass Erfolge bei der Umsetzung von BNE deutlicher werden. Das Erreichen kurzfristiger Ziele kann die Motivation erhalten.

Wie die Verankerung in Leitbildern dient auch die Entwicklung von Strategien zu BNE dazu, Verbindlichkeit herzustellen und eine Priorisierung von BNE innerhalb der Kommune zu fördern. Dabei ist es weniger entscheidend, eine reine BNE-Strategie zu entwickeln, vielmehr kann das Thema auch in bereits existierende Strategien integriert werden und in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeit erfahren (Grapentin-Rimek 2019a, S. 263).

Beschlüsse – BNE langfristig stärken

Politische Beschlüsse zu BNE – wie beispielsweise Stadt-, Gemeinde- oder Kreistagsbeschlüsse – können unabhängig von Leitbildern und Strategien wichtige Ansatzpunkte darstellen, um die Verankerung von BNE voranzutreiben. So findet sich auch im Nationalen Aktionsplan BNE die Forderung: „Bis 2019 soll ein kommunaler Beschluss herbeigeführt werden, um bei allen wichtigen kommunalen Entwicklungs- und Planungsvorhaben Bildung und Kommunikation als BNE-Instrumente mit einzusetzen und mitzufinanzieren“ (Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung 2017, S. 92).

Während Leitbilder und Strategien das Ziel definieren und den Weg dorthin strategisch absichern, können Beschlüsse dazu beitragen, Themen breitenwirksam auf politischer Ebene zu platzieren. Somit können politische Beschlüsse zu BNE in Ihrer Kommune dazu genutzt werden, „BNE langfristig zu verankern und die Aktivitäten losgelöst von Legislaturperioden zu stärken und zu finanzieren“ (Grapentin-Rimek 2019b, S. 5). Dadurch soll gewährleistet werden, dass BNE innerhalb der Kommune langfristig bearbeitet wird.

Bei der Beschlussfassung kann es ebenfalls hilfreich sein, an ein gemeinsames BNE-Verständnis sowie an Leitbilder und Strategien anzuknüpfen. So stellen Sie sicher, dass sich der Beschluss inhaltlich auf Aspekte bezieht, die im gemeinsamen Verständnis mit BNE in Verbindung stehen.

Beschlüsse können in unterschiedlichen Situationen und Phasen den BNE-Prozess unterstützen. Sie bewirken eine größere Sichtbarkeit von BNE (siehe Kap. 6 „Sichtbarkeit und Kommunikation“) und eine höhere Präsenz des Themas in der Bevölkerung. Auch für die Innenwirkung in der kommunalen Verwaltung stellt die Legitimation durch Beschlüsse einen wichtigen Hebel dar, um die Möglichkeit sowie Bereitschaft zur Mitarbeit zu erhöhen. Außerdem können Beschlüsse zu BNE verdeutlichen, dass die politische Spitze Ihrer Kommune BNE befürwortet und deren Verankerung, bestenfalls auch längerfristig, unterstützt (Grapentin-Rimek 2019b, S. 5–6).

Konkrete Ziele für BNE formulieren und realisieren

In diesem Abschnitt erfahren Sie, wie Sie bei der Erarbeitung von Strategien und Zielen vorgehen können und ein verlässliches Fundament für die kommunale Verankerung von BNE errichten. Unserer Erfahrung nach ist es sinnvoll, sich dabei an den folgenden Dimensionen zu orientieren: der inhaltlichen Dimension, der strukturellen und der zeitlichen Dimension.

Die inhaltliche Dimension beschreibt, mit welchem Kern, welcher Frage, welchem Ziel man sich beschäftigen will. Die strukturelle Dimension klärt ab, welche Organisationsform und welche Ressourcen personeller oder anderer Art sich für genau diesen Prozess eignen. Die zeitliche Dimension hilft, einen realistischen Plan zwischen Gegenwart (Status quo) und Zukunft (Zielerreichung) zu erstellen.

Hilfreiche Fragen

... zu den drei Dimensionen:

  • Inhalt: Was wollen Sie gemeinsam erreichen? Welche Ziele wollen Sie im Rahmen von BNE setzen? Welche Zielgruppen bzw.
    Adressatinnen und Adressaten wollen Sie erreichen?
  • Struktur: Wie steuern Sie den Prozess? Mit wem werden die Aktivitäten geplant, organisiert und realisiert? In welcher Rolle können und wollen Sie sich in den Prozess einbringen?
  • Zeit: Wie gehen Sie vor? Welche Schritte sind kurzfristig (etwa für die nächsten sechs Monate), mittelfristig (für die nächsten ein bis zwei Jahre) und langfristig (ab drei Jahren) erforderlich?

Bevor Sie anfangen, aber auch während des Prozesses, kann es Ihnen helfen, sich immer wieder die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Herausforderungen im BNE-Prozess bewusst zu machen. Auf der folgenden Seite wird daher zunächst die sogenannte SWOT-Analyse erläutert, bevor beispielhaft die Erarbeitung eines gemeinsamen BNE-Verständnisses, eines Leitbildes, von Strategien und möglichen Beschlussformen vorgestellt wird.

Bei all diesen Prozessen sollten Sie neben den genannten drei Dimensionen – Inhalt, Struktur und Zeit – die Gesamtheit möglicher Kooperationspartner:innen und Stakeholder:innen ständig im Blick haben. Wenn sich nämlich viele verschiedene Menschen bzw. Organisationen an einem Prozess beteiligen, kann die Vielfalt an Perspektiven zu einer besseren Qualität im BNE-Prozess beitragen, und es werden eine höhere Akzeptanz und mehr Commitment erzielt (siehe Kap. 3 „Netzwerke und Kooperation“ sowie Kap. 7 „Partizipation“).


Methode: SWOT-Analyse

Die SWOT-Analyse unterstützt Sie dabei, Stärken (engl. Strengths), Schwächen (Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Herausforderungen (Threats) in Ihrem BNE-Prozess zu identifizieren. Dabei können Sie den Blick sowohl auf verwaltungsinterne als auch externe Prozesse lenken:


Wenn Sie eine SWOT-Analyse ähnlich wie in der Vorlage durchführen, erkennen Sie auf einen Blick, welche Ressourcen und Potenziale Ihnen im BNE-Prozess zur Verfügung stehen. Außerdem vergegenwärtigen Sie sich auch die aktuellen und möglichen zukünftigen Grenzen und Hürden, die es zu berücksichtigen oder zu überwinden gilt.

Wie wird ein BNE-Verständnis konkret erarbeitet?

Ein gemeinsames BNE-Verständnis zu diskutieren und zu finden, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine funktionierende BNE-Landschaft. Erwartungen, Werte, Wünsche, Ziele und oft auch Zukunftsvisionen werden in diesem Prozess offen angesprochen, ausgetauscht, gesammelt und schließlich in ein gemeinsames BNE-Verständnis überführt. Dieser Prozess dauert meist zwischen einem halben und einem Jahr, je nachdem, wie umfassend Sie diesen Prozess ansetzen und ob Sie mit verwaltungsinternen Akteurinnen und Akteuren, verwaltungsexternen Personen und/oder den Zielgruppen von BNE in der kommunalen Bevölkerung (zum Beispiel Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen) ins Gespräch kommen möchten.

Hilfreiche Fragen

... zur Erarbeitung eines gemeinsamen BNE-Verständnisses:

  • Gibt es bereits ein Nachhaltigkeitsverständnis in der Kommune?
  • Wie gestaltet sich der bisherige gemeinsame Aushandlungsprozess einer BNE-Definition in der Bildungslandschaft?
  • Wurden beispielsweise bereits gemeinsame Grundpfeiler festgelegt, sodass sich BNE-Bildungsaktivitäten von anderen Bildungsaktivitäten abgrenzen lassen?

Zunächst sollten Sie ein geeignetes Format für die Erarbeitung des gemeinsamen BNE-Verständnisses finden. Hierzu können Sie sich am folgenden Beispiel orientieren, das den Ablauf im Rahmen eines etwa vierstündigen Workshops in einer Kommune darstellt.

Prozessbeispiel: Erarbeiten eines BNE-Verständnisses

  • Annäherung an das Thema BNE mithilfe bereits bestehender Bezugspunkte zu den 17 Nachhaltigkeitszielen: Was mache ich gegenwärtig schon zu welchem Nachhaltigkeitsziel für die Verwaltung/Organisation/Institution, der ich angehöre (Blick nach innen), bzw. für die Bürger:innen (Blick nach außen)?
  • Mehrwert und Potenzial von BNE für die eigene Organisationseinheit herausarbeiten lassen: Welche Nachhaltigkeitsziele spornen mich persönlich bzw. in meiner Arbeit an?
  • BNE-Definitionen der Teilnehmenden sammeln: Was verstehe ich unter Bildung für nachhaltige Entwicklung?
  • Inhaltlicher Input: Was können wichtige Eckpfeiler von BNE sein? Welche verschiedenen BNE-Definitionen gibt es? Welche Kompetenzen erwirbt man mithilfe von BNE?
  • Gemeinsames BNE-Verständnis erarbeiten lassen: Was sind für uns als Verwaltung/Organisation/Institution/Kommune wesentliche Aspekte von BNE?

Wie wird ein BNE-Leitbild konkret erarbeitet?

Bevor Sie in den Prozess der Leitbildentwicklung starten, sollten Sie prüfen, ob es bereits Leitbilder gibt, an die Sie anknüpfen können. Beispielhaft wären hier Nachhaltigkeitsleitbilder zu nennen, die oft Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie sind, sowie Bildungsleitbilder als Bestandteil einer Bildungsstrategie. Es ist oft leichter, Themen in bereits Bestehendes zu integrieren, als etwas völlig neu zu erarbeiten.

Ein bereits erarbeitetes BNE-Verständnis kann eine richtungsweisende Grundlage für das Leitbild darstellen. Zudem können Sie überlegen, ein Leitbild für bestimmte Bildungsbereiche (Ausschnitte der Bildungslandschaft) oder auch umfassender (beispielsweise für die gesamte Kommune) zu gestalten.

Bevor Sie sich der strukturellen und zeitlichen Dimension zuwenden, ist es wichtig, die inhaltliche Dimension, also den Aufbau eines Leitbildes, zu kennen.

Ein Leitbild beschreibt einen qualitativen Wunschzustand für das Jetzt und für die Zukunft. Es besteht aus einem motivierenden Motto, welches das Herzensanliegen und das Alleinstellungsmerkmal Ihrer Kommune beschreibt, sowie einer Vision und einer Mission für die Kommune. In der Vision sind die Gründe und der Zweck bzw. das Warum und Wofür, die hinter dem Handeln Ihrer Kommune stehen, enthalten. Die Vision zeichnet ein klar definiertes Bild der Zukunft. Die Mission beschreibt in einem Satz, wie Sie Ihre Vision verwirklichen. Das Wie bzw. die Art und Weise stehen hier im Vordergrund.

Auf das Motto, die Vision und die Mission folgen genauere Beschreibungen, die das Selbstverständnis nach innen und außen sowie den Umgang miteinander innerhalb der Organisation und den Umgang mit dem Umfeld präzisieren.

Um gemeinsam mit Ihren Kooperationspartnerinnen und -partnern eine passende Struktur für den BNE-Leitbildprozess organisieren zu können, sollten Sie sich neben den bereits zu Beginn genannten Fragen zur strukturellen Dimension auch die folgenden beantworten:

  • Wen müssen/möchten wir wie intensiv beteiligen?
  • Welche Perspektiven wünschen wir uns noch für unser Leitbild?
  • Wer hat welche Aufgaben?
  • Wie oft können, sollten und wollen wir uns treffen?
    Was muss zwischen den Treffen bearbeitet werden?

Ein Leitbildprozess dauert in der Regel mindestens ein oder zwei Jahre. Um eine zeitliche Richtschnur für Ihren BNE-Leitbildprozess festlegen zu können, orientieren Sie sich an den bereits genannten Fragen zur zeitlichen Dimension von BNE-Prozessen.

Hilfreiche Fragen

... zur Vorbereitung auf Ihren BNE-Leitbildprozess:

  • Welche übergeordneten Entwicklungs- und Leitziele gibt es, auf die Sie Bezug nehmen können (zum Beispiel Kreis- oder Stadtentwicklungskonzepte und allgemeine Leitbilder)?
  • ? Welche grundsätzlichen Leitvorstellungen haben die Kommune und ihre Bildungslandschaft in Bezug auf BNE definiert, zum Beispiel in kommunalen Leitzielen und Leitbildern wie Bildungs- oder Nachhaltigkeitsleitbildern?
  • Gibt es einzelne Bildungsbereiche, in denen Einrichtungen in kommunaler (oder auch anderer) Trägerschaft bereits BNE in Leitbildern und Zielen verankert haben (zum Beispiel in Kindertageseinrichtungen und Schulen)?

Beispiele aus der Praxis: BNE in Leitbildern

STADT MÜNSTER

Fachspezifisches Leitbild

BNE wird in Münster als ein Bereich im Profil der Fachstelle Nachhaltigkeit benannt: „Wir koordinieren den Nachhaltigkeitsprozess der Stadt Münster und agieren als kommunikative Schnittstelle zwischen Verwaltung, Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Wir vernetzen Akteure und setzen (häufig in unterschiedlichen Kooperationen) zahlreiche Maßnahmen zu Erreichung der Nachhaltigkeitsstrategie Münster 2030 um. Als interdisziplinäres Team sind wir in verschiedenen Bereichen aktiv: Umweltberatung; Bewusstseinsbildung und BNE; Urban Gardening; Bürgerschaftliches Engagement; nachhaltiges Wirtschaften; Nachhaltigkeitsmanagement; Transformation des Ernährungssystems und Öffentlichkeitsarbeit.“


STADT ERFURT

Bildungsleitbild

In der Präambel zu ihrem Bildungsleitbild hält die Stadt Erfurt fest: „Erfurt engagiert sich für eine Bildung, die Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nachhaltiges Denken und Handeln vermittelt. Bildung für nachhaltige Entwicklung versetzt in die Lage, selbstständig Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und dabei verantwortungsvoll abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln auf künftige Generationen oder das Leben in anderen Weltregionen auswirkt.“


Wie wird eine BNE-Strategie konkret erarbeitet?

Ebenso wie bei den kommunalen Leitbildern sollten Sie prüfen, ob bereits verschiedene Strategien existieren, die für Bildung für nachhaltige Entwicklung nutzbar sind. Dazu gehören zum Beispiel Nachhaltigkeitsstrategien im Bereich Regionalmanagement, Klimaschutz, Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung sowie Bildungsleitpläne und -strategien, in die Sie jeweils BNE integrieren können.

Auch wenn sich die Prozesse bei der Entwicklung eines Leitbildes und einer BNE-Strategie inhaltlich unterscheiden, ähneln sich die nötigen Strukturen und Planungsschritte. Daher können Sie sich für die strukturelle und zeitliche Dimension an den Prozessfragen zum Leitbild orientieren. Allerdings dauert die Erarbeitung einer BNE-Strategie üblicherweise länger als die eines Leitbildes. Da die BNE-Strategie aber ein ganz wesentlicher Baustein kommunaler BNE-Arbeit ist, möchten wir Sie unbedingt dazu motivieren, diesen Prozess zu wagen.

Hilfreiche Fragen

... zur Vorbereitung auf Ihren BNE-Strategieprozess:

  • Wie werden strategische Ziele für den Bereich BNE in der Kommune entwickelt und festgelegt? Gibt es ein generelles Verfahren bzw. bereits bestehende Lernerfahrungen für Strategieprozesse in Ihrer Kommune?
  • Inwiefern entwickelt Ihre Kommune Programme und konkrete Projekt- und Aktionspläne für BNE (etwa nach Bildungsphasen, für Einrichtungen oder für einzelne Nachhaltigkeitsziele)?
  • Gibt es einen präzisen Umsetzungs- bzw. Maßnahmenplan, der aufschlüsselt, wer was, mit welchen Ressourcen, in welchem Zeitraum und mit welchem Ergebnis umsetzen soll?
  • Wird die Umsetzung der Strategie evaluiert bzw. ist eine Fortschreibung der Strategie geplant?

Beispiele aus der Praxis: BNE in Strategien

STADT NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE

Nachhaltigkeitsstrategie

BNE ist fester Bestandteil der im Jahr 2022 veröffentlichten Nachhaltigkeitsstrategie von Neustadt. Im ersten Handlungsfeld „Gesellschaftliche Teilhabe und Bildung für alle“ heißt es: „In diesem Handlungsfeld stehen die Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt. Wie lassen sich gesellschaftliche Teilhabe und ein lebens langes Lernen konkret umsetzen? Mehr Bürgerbeteiligung, attraktive Lernorte sowie BNE-Formate sind einige Maßnahmen dieses Handlungsfeldes.“


UNIVERSITÄTS- UND HANSESTADT GREIFSWALD

Nachhaltigkeitsstrategie

Auch in der im Jahr 2022 veröffentlichten kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Greifswald ist BNE fest integriert. Bildung für nachhaltige Entwicklung wird hier dem ersten Themenfeld „Soziale Gerechtigkeit und zukunftsfähige Gesellschaft“ zugeordnet und als Leitvorhaben deklariert. Gleichzeitig wird betont, dass BNE zu allen sechs Themenfeldern passt.


Wie wird ein Beschluss zu BNE konkret erarbeitet?

Bevor Sie eine Beschlussvorlage zu BNE erarbeiten, können Sie verschiedene Medien wie Pressemitteilungen oder Berichte nutzen, um BNE und deren Bedeutung für die Verwaltung, die Politik und die Öffentlichkeit greifbarer zu machen (siehe Kap. 6 „Sichtbarkeit und Kommunikation“ sowie Kap. 4 „Wissensbasierung und Berichterstattung“). Sie können an bestehende Beschlüsse andocken oder zum passenden Zeitpunkt selbst Beschlussvorlagen zu BNE einbringen.

Wann eine Beschlussvorlage sinnvoll ist und wie diese gestaltet sein sollte, hängt stark damit zusammen, wie Beschlussvorlagen üblicherweise in Ihrer Kommune genutzt werden. Wenn Sie sich über die Vorgehensweise nicht sicher sind, tauschen Sie sich innerhalb Ihres Netzwerks von BNE-affinen Kommunen oder innerhalb Ihrer eigenen Kommune mit Kolleginnen und Kollegen aus, die an BNE Interesse haben. So erhalten Sie nicht nur wichtige Informationen und eventuell Beispielvorlagen, sondern bestenfalls auch weitere Verbündete in Ihrem BNE-Prozess.

Hilfreiche Fragen

... für die Erarbeitung von Beschlüssen zu BNE:

  • Welche kommunalen Beschlüsse zur Einführung und Umsetzung von BNE sind von der Kommunalpolitik erlassen worden bzw. geplant (zum Beispiel Stadtrats-, Gemeinderats- bzw. Kreistagsbeschlüsse, Erklärungen von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern oder Selbstverpflichtungen zur Agenda 2030, zu einer Nachhaltigkeitsstrategie, zum Weltaktionsprogramm BNE, zum Nationalen Aktionsplan BNE bzw. zur strukturellen Verankerung von BNE)?
  • Inwiefern werden BNE-Leitvorstellungen und Maßnahmen in der Fachplanung der Ressorts berücksichtigt? Wie sind diese miteinander verknüpft?
  • Inwiefern sind die BNE-Ziele mit dem Haushalt verknüpft (zum Beispiel im Sinne von Finanzkennzahlen oder einer haushälterischen Stelle/Nummer)?

Beispiele aus der Praxis: Beschlüsse mit BNE-Bezug

STADT DÜSSELDORF

Beschluss des Schulausschusses

Ein Beispiel für einen parteiübergreifenden Beschluss, um BNE strukturell stärker zu verankern, liefert der Düsseldorfer Beschluss des Schulausschusses vom 04.05.2021 (SCHUA/065/2021).


STADT MÜNCHEN

Beschluss des Stadtrats

Ein Beispiel für einen Stadtratsbeschluss zur Umsetzung einer BNE-Strategie ist der Beschluss der Stadt München vom
02.12.2022 zur Umsetzung der „BNE Vision 2030“ (Sitzungsvorlage 20-26 / V 07611).


Wie starten?

Gerade zu Beginn des BNE-Prozesses können Sie an bestehende Ziel-, Leitbild- oder Strategieprozesse andocken. Sie können auch zunächst beispielsweise kleinere Strategiepapiere oder fachbezogene Orientierungsvorlagen entwickeln. So binden Sie BNE einerseits in bereits existierende, politisch legitimierte Prozesse ein, vermeiden Redundanzen und schonen damit Ressourcen. Andererseits fördern Sie auf diese Weise das Verständnis von Bildung für nachhaltige Entwicklung und stärken die Akzeptanz und Transparenz. Sprechen Sie in verschiedenen Prozessen über BNE und machen Sie BNE bekannter, gewinnen Sie vor allem interessierte und engagierte Mitstreiter:innen.

Wie Sie BNE mithilfe gemeinsamer Ziele, Leitbilder und Strategien in Ihrer Kommune langfristig verankern, zeigt beispielhaft der folgende Ablauf, an dem Sie sich orientieren können:

  • Bestandsaufnahme zu BNE durchführen: Lernorte, Akteurinnen und Akteure sowie Formate
  • Dringlichkeit und Nutzen von BNE gemeinsam mit verschiedenen zentralen Akteurinnen und Akteuren der Kommune besprechen und dadurch motivierte Mitstreiter:innen gewinnen
  • Gemeinsames Verständnis erarbeiten 
  • Relevante Handlungsfelder und Themen identifizieren
  • Schwerpunkte/Lücken identifizieren, zum Beispiel mithilfe einer SWOT-Analyse
  • Spezifische Ziele entwickeln, zum Beispiel innerhalb eines Leitbildprozesses, oder bestehende Ziele durch BNE erweitern und stärken
  • Auftrag abholen (etwa durch einen politischen Beschluss)
  • Ressourcen- und Finanzierungsbedarf ermitteln
  • Langfristige Gesamtstrategie für BNE erarbeiten und dabei den Ressourcen- und Finanzierungsbedarf integrieren
  • BNE in Fachplanung und Haushalt integrieren
  • Maßnahmen und Projekte der BNE-Strategie umsetzen

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Literatur

Albrecht, Maria/Mögling, Tatjana (2021): Dimensionen struktureller Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Kommunen. In: BNE-Kompetenzzentrum (Hrsg.): Strukturelle Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in kommunale Bildungslandschaften. Forschungs- und Diskussionsstand. Leipzig, S. 65–104

Durand, Judith (2017): Bildung für nachhaltige Entwicklung in der frühkindlichen Bildung. Eine narrative Bestandsaufnahme. München 

Euler, Dieter/Sloane, Peter F. E. (2015): Neue Bildungslandschaften – Kommunales Bildungsmanagement als Zukunftsaufgabe. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 111. Band, H. 1, S. 1–10

Grapentin-Rimek, Theresa (2019a): Bildung für nachhaltige Entwicklung in kommunalen Bildungslandschaften. In: Singer-Brodowski, Mandy/Etzkorn, Nadine/Grapentin-Rimek, Theresa (Hrsg.): Pfade der Transformation. Die Verbreitung von Bildung für nachhaltige Entwicklung im deutschen Bildungssystem. Opladen/Berlin/Toronto, S. 233–290

Grapentin-Rimek, Theresa (2019b): BNE-Bildungslandschaften – Kommunen als Schlüsselstellen für eine gesellschaftliche Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung. Executive Summary. Berlin

Lambrecht, Maike (2016): Kontingenz als latente Steuerungsstrategie des BNE-Transfers. Objektiv-hermeneutische Rekonstruktionen zum Steuerungsimpuls ‚Auszeichnung als Kommune der BNE-Weltdekade‘ und dessen Aneignung auf kommunaler Ebene. In: Bormann, Inka/Hamborg,

Steffen/Heinrich, Martin (Hrsg.): Governance-Regime des Transfers von Bildung für nachhaltige Entwicklung. Qualitative Rekonstruktionen. Wiesbaden, S. 245–272

Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung (Hrsg.) (2017): Nationaler Aktionsplan Bildung für nachhaltige
Entwicklung. Der deutsche Beitrag zum UNESCO-Weltaktionsprogramm. Berlin

Schawel, Christian/Billing, Fabian (2012): SWOT-Analyse. In: Schawel, Christian/Billing, Fabian (Hrsg.): Top 100 Management Tools. Das wichtigste Buch eines Managers; von ABC-Analyse bis Zielvereinbarung. 4., überarb. Aufl., korr. Nachdr. 2012. Wiesbaden: S. 249–251


Links

Engagement Global gGmbH (2022): Kommunale Nachhaltigkeitsstrategie der Universitäts- und Hansestadt Greifswald. https://www.greifswald.de/de/.galleries/dokumente/Pressestelle-Dokumente/Nachhaltigkeitsstrategie_UHGW.PDF (26.01.2023)

Landeshauptstadt Erfurt (Hrsg.) (2012): Bildungsleitbild der Landeshauptstadt Erfurt. Wissen, was zu tun ist. https://www.erfurt.de/mam/ef/leben/bildung_und_wissenschaft/bildungsstadt/2012/bildungsleitbild_erfurt.pdf (26.01.2023)

Neustadt an der Weinstraße (Hrsg.) (2022): Nachhaltigkeitsstrategie Neustadt an der Weinstraße 2030. https://klimaschutz.neustadt.eu/media/custom/3188_256_1.PDF?1657222584 (26.01.2023)

Stadt Düsseldorf (2021): Beschluss des Schulausschusses. https://ris-duesseldorf.itk-rheinland.de/sessionnetduebi/to0050.asp?__ktonr=297563 (27.01.2023)

Stadt München (2022): Beschluss des Stadtrats. https://risi.muenchen.de/risi/sitzungsvorlage/detail/7321590 (27.01.2023)

Stadt Münster (o. J.): Leitbild der Fachstelle Nachhaltigkeit. https://www.stadt-muenster.de/fileadmin/user_upload/stadt-muenster/67_umwelt/pdf/fst_nachhaltigkeit_leitbild.pdf (26.01.2023)

| Angela Firmhofer, Judith Werner