Blickt man in die bildungspolitischen Schriften zu BNE, wird an vielen Stellen das Ziel einer strukturellen Verankerung von BNE formuliert. So steht zum Beispiel im Nationalen Aktionsplan, dass dieser das "Ziel einer strukturellen Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in allen Bildungsbereichen in Deutschland" (Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung 2017, S. 7) unterstützen soll. Auch in dem Positionspapier "Zukunftsstrategie BNE 2015+"heißt es, dass „Die strukturelle Verankerung von BNE in allen Bereichen der formellen und non-formellen Bildung sieht das Nationalkomitee als zentrale Aufgabe aller Akteure an“ (Deutsche UNESCO-Kommission e.V. 2014, S. 9). In all diesen Dokumenten wird die Kommune als zentraler Handlungsraum für die Erreichung dieses Ziels betrachtet.
Doch was bedeutet es nun genau BNE strukturell in Kommunen zu verankern?
Ziel einer strukturellen Verankerung von BNE in Kommunen
Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst notwendig, das Ziel einer solchen Verankerung in Kommunen zu betrachten. Kurz zusammengefasst ist das langfristige Ziel einer strukturellen Verankerung von BNE in Kommunen, dass allen Menschen in einem definierten (d.h. geografischen, administrativem oder sozialen) Raum dauerhaft Bildungsangebote im Sinne einer BNE angeboten werden. Eine kommunale Bildungslandschaft mit BNE-Fokus ist ein Begriff, der die nötigen Prozesse und Strukturen für dieses ambitionierte Ziel zusammenfasst. Um es zu erreichen, sind Bedingungen und auch Zwischenschritte notwendig.
Es geht also darum, das Thema BNE nicht nur als zeitlich und räumlich befristetes Projekt (z.B. der Verwaltung) zu begreifen, sondern analog zu anderen Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge (vgl. Deutscher Bundestag 2006) als Daueraufgabe zu betrachten. Damit dies gelingen kann, bedarf es Prozesse und Strukturen, die die Bearbeitung der Aufgabe – für alle Menschen BNE-Bildungsangebote bereitzustellen – dauerhaft und somit für alle Akteurinnen und Akteure (inkl. der kommunalen Verwaltung) in der Kommune zur Selbstverständlichkeit wird. Nichts anderes meint die Forderung "vom Projekt zur Struktur" (vgl. Deutsche UNESCO-Kommission e.V. 2014).
Wenn die kommunale Bildungslandschaft mit BNE-Fokus das Ziel und die strukturelle Verankerung von BNE in Kommunen der Prozess zur Erreichung des Ziels ist, ist damit aber noch nicht geklärt, was zu tun ist, um die Ziele zu erreichen.
BNE in Kommunen strukturell verankern? Was ist zu tun?
Blickt man in die bisherige Literatur zum Thema, gibt es zwar eine ganze Reihe Hinweisen zu Gelingensbedingungen und Hemmnisfaktoren für die strukturelle Verankerung von BNE (vgl. eine Übersicht bei Albrecht und Mögling 2021), aber „keine erprobten Fahrpläne oder Blaupausen“ (vgl. Duveneck et al. 2020, S.1).
Es gibt zu der Frage was genau getan werden muss, um die strukturelle Verankerung voranzubringen, noch viele ungeklärte Aspekte. Trotzdem konnte das BNE-Kompetenzzentrum auf Basis seiner praktischen, theoretischen und empirischen Arbeiten erfolgsversprechende Ansatzpunkte hierfür identifizieren. Zentrales Ergebnis sind die sieben BNE-Handlungsfelder (vgl. folgende Abbildung).
Diese sieben Handlungsfelder wurden identifiziert, indem bisherige Forschungsbefunde systematisiert wurden. Hierbei hat sich eine adaptierte und weiterentwickelte Version der Kernkomponenten, wie sie im Rahmen des datenbasierten Kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) formuliert wurde, als funktional herausgestellt (Euler u.a. 2016; 2018).
Im ersten Handlungsfeld, Strategien und Ziele, geht es darum, der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteurinnen und Akteuren im kommunalen Raum einen gemeinsamen Fokus zu verleihen. Welche Ziele werden gemeinschaftlich angestrebt, und welche Wege sollen beschritten werden? Die Zusammenarbeit als Prozess benötigt wiederum Strukturen der Steuerung und Koordination, welche die konkrete Kooperation und Netzwerkarbeit (Netzwerke und Kooperation) strukturiert. Während es bei Steuerung und Koordination um die Frage geht, „wer die Übersetzung der strategischen Vorgaben in konkrete Maßnahmen koordiniert“ (Euler und Sloane 2015, S. 4), geht es bei Netzwerken und Kooperation um die Fragen, wie und in welcher Form konkret zusammengearbeitet wird. Damit diese Prozesse neben den Zielen einen gemeinsamen Bezugspunkt haben, ist eine Wissensbasierung und Berichterstattung notwendig. Dabei geht es vor allem um eine Versachlichung von Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen. Diese ist auch notwendig für Fragen der Qualität und Wirkung. Nicht überall, wo BNE draufsteht, ist auch BNE drin, und umgekehrt (vgl. Was charakterisiert ein BNE-Bildungsangebot?). Ein weiteres Handlungsfeld ist die Sichtbarkeit und Kommunikation. Die Bedeutung einer kontinuierlichen und adressatenorientierten Öffentlichkeitsarbeit zu BNE ist nicht zu unterschätzen. Ohne Kenntnis der Existenz von BNE-Angeboten ist eine Teilnahme an diesen mehr als unwahrscheinlich. Das letzte Handlungsfeld ist das der Partizipation. Im Kontext von BNE ist Partizipation nicht nur eine Frage der Ermöglichung von zielgruppengerechten Angeboten durch die Beteiligung der Zielgruppen bei der Gestaltung und Durchführung von BNE-Bildungsangeboten. Partizipation ist in diesem Kontext darüber hinaus selbst ein BNE-Bildungselement, weil Partizipationskompetenz (als Zielgröße von BNE) nur praktisch erlernt werden kann (Rieckmann und Stoltenberg 2011).
Bei der strukturellen Verankerung von BNE in Kommunen darf nicht vergessen werden, dass kommunale Bildungslandschaften mit BNE-Fokus einen Gesamtzusammenhang darstellen. Insofern ist nach derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen, dass alle Handlungsfelder gleichermaßen und idealerweise integriert bearbeitet werden sollten. Davon unbenommen ist die Frage, wo sinnvoller Weise mit den Entwicklungsprozessen begonnen wird. Dies ist letztlich immer eine Frage, auf welche bestehenden Strukturen im kommunalen Raum jeweils aufgebaut werden kann und welche Akteurinnen und Akteure bereits im Bereich BNE tätig sind oder auch nicht. Ideen und Hinweise, wie der lange Weg der strukturellen Verankerung angegangen werden kann, sind in unserem „Praxishandbuch. Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kommune gestalten“ sowie in den weiteren Texten unserer Webseite dargestellt.
Auch wenn die Wege (strukturelle Verankerung von BNE) zum Ziel (kommunale Bildungslandschaft mit BNE-Fokus) von Kommune zu Kommune unterschiedlich sein mögen, sollte das Resultat immer gleich sein: Es geht um die Verstetigung einer Struktur, die es trotz Wechsel von Personen und Organisationen ermöglicht, dauerhaft und kontinuierlich allen Menschen im kommunalen Raum BNE-Bildungsangebote anzubieten.
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Literatur
Albrecht, Maria/ Mögling, Tatjana (2021): Dimensionen struktureller Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in Kommunen. In: BNE-Kompetenzzentrum (Hrsg.): Strukturelle Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung in kommunale Bildungslandschaften. UFZ Discussion Papers 7/2021. Leipzig, S. 65-104
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (2014): Das deutsche Nationalkomitee für die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“: Positionspapier „Zukunftsstrategie BNE 2015+“. Bonn, UNESCO
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (2014): Vom Projekt zur Struktur. Projekte, Maßnahmen und Kommunen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Bonn
Deutscher Bundestag (2006): Was ist Daseinsvorsorge. url: https://www.bundestag.de/resource/blob/424316/40836520741496c15613a91f113c059f/wf-iii-035-06-pdf-data.pdf (Stand: 14.05.2024).
Duveneck, Anika/ Singer-Brodowski, Mandy/ Seggern, Janne von (2020): Die Governance von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auf dem Weg vom Projekt zur Struktur. Wissenschaftlicher Report zu Beginn des UNESCO BNE-Programms „ESD for 2030“. Berlin
Eulenberger, Jörg/ Rink, Dieter/ Schmidt, Marco / Schütze, Lea (2023): Um was geht es? Grundbegriffe kurz erklärt. In: Autorengruppe BNE-Kompetenzzentrum: Praxishandbuch. Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kommune gestalten. München
Euler, Dieter/ Sloane, Peter F. E./ Fäckeler, Sina/ Jenert, Tobias Johannes/ Losch, Simone/ Meier, Christoph/ Meier, Karin/ Rüschen, Eva/ Schroeder, Helmut (2016): Kommunales Bildungsmanagement: Kernkomponenten und Gelingensbedingungen. Detmold
Euler, Dieter/ Sloane, Peter F. E./ Collenberg, Michèle/ Daniel, Desiree/ Janssen, Elmar A./ Jenert, Tobias/ Meier, Karin/ Menke, Ilka/ Schröder, Helmut (2018): Innovationsförderung durch Transferagenturen. Erfahrungen im Aufbau von Transferagenturen zur Förderung eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements. Detmold
Euler, Dieter/ Sloane, Peter F. E. (2015): Neue Bildungslandschaften–Kommunales Bildungsmanagement als Zukunftsaufgabe. In: Zeitschrift für Berufs-und Wirtschaftspädagogik, 111. Jg., Nr. 1, S. 1-10
Rieckmann, Marco/ Stoltenberg, Ute (2011): Partizipation als zentrales Element von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. In: Heinrichs, Harald/ Kuhn, Katina/ Newig, Jens (Hrsg.): Nachhaltige Gesellschaft: Welche Rolle für Partizipation und Kooperation? Wiesbaden, S. 117-131