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Wirkungsorientierung in der Bildung für nachhaltige Entwicklung

Wirkung und BNE

Als das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2014 die nationale Abschlusskonferenz zur UN-Dekade zu Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Bonn ausrichtete, einigte man sich auf den Titel „UN-Dekade mit Wirkung – 10 Jahre BNE in Deutschland“. Neben der Organisationsstruktur in Form unterschiedlicher Gremien und Arbeitsgruppen bemaß der damalige Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission, Walter Hirche, die Wirkung der UN-Dekade anhand der vielen Auszeichnungen. Besonderes Augenmerk lenkte Hirche aber auf Mensch und Handlung: 

„In Deutschland sind über 1.900 Projekte der UN-Dekade, 49 Maßnahmen und 21 Kommunen ausgezeichnet worden. Bereits diese nackten Zahlen machen deutlich, wie groß das BNE-Netz geworden ist. Vor allem wird jedoch klar, dass die UN-Dekade in Deutschland keine reine Willenserklärung oder politisches Konstrukt geblieben ist, denn hinter den statistischen Werten stehen zahllose Menschen und Aktivitäten, die BNE praktisch umsetzen.“ 

Deutsche UNESCO-Kommission e. V. 2015, S.7

Damit beschreibt Hirche mit dem Fokus auf „Menschen“, „Aktivitäten“ und die „praktische“ Umsetzung treffend ein Anliegen, das zentral für eine BNE ist – die Entwicklung von Gestaltungskompetenzen (vgl. De Haan 2008), die eine Wirkung in Richtung einer nachhaltigen Welt haben sollen.

Doch können solche Wirkungen überhaupt geplant werden? Wie können Wirkungen systematisch in die kommunale Prozessplanung integriert werden? Und welche Rolle spielt eine wirkungsorientierte Planung für die strukturelle Verankerung von BNE in der Kommune? 

Dieser Text soll in Vertiefung des Kapitels „Qualität und Wirkung“ in unserem Praxishandbuch (Autorengruppe BNE-Kompetenzzentrum 2023) weitere Anhaltspunkte liefern, wie kommunale Praktiker:innen Wirkungen im Kontext einer BNE verstehen und einarbeiten können.

Wirkungslogik

Die Vereinten Nationen sehen in Bildung für nachhaltige Entwicklung für alle Menschen ein zentrales Gelingensmoment für den gesellschaftlichen Wandel hin zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele (vgl. Vereinte Nationen 2015). Damit ist Bildung für nachhaltige Entwicklung kein Selbstzweck, sondern explizit mit der Hoffnung nach Wirkungen in der Bevölkerung verbunden. Doch um eine Wirkung (in der Bevölkerung) zu planen, geschweige denn messen zu können, müssen wir zunächst verstehen, in welches logische System Wirkungen eingebunden sind. 

In der Wirkungslogik vergegenwärtigt man sich, wie das Zusammenspiel von Ressourcen (Inputs), Leistungen/Maßnahmen (Outputs) und Wirkungen bei der Zielgruppe einer Maßnahme (Outcome) auf eine Wirkung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (Impact) einzahlt. Übertragen wir die Wirkungslogik auf einen BNE-Prozess, dann ergeben sich mehrere Variablen, die sich genauer in Augenschein nehmen lassen (vgl. Abb. 1). 

Es bietet sich an, ausgehend von dem langfristigen Ziel oder dem Problem auszugehen, das auf gesellschaftlicher Ebene adressiert werden soll. Daraus ergeben sich auch der Bedarf der jeweiligen Zielgruppe und mögliche Leistungen, wie dies angegangen werden kann. Es bietet sich aber immer an, eine Wirkungslogik in beide Richtungen zu erstellen und aufeinander abzustimmen (vgl. Phineo, S. 40f).

In unserem Beispiel wollen wir mehr Einsatz für Klimaschutz erzielen (Impact). Dann stellt man sich die Frage, was passieren muss, damit dieses Ziel erreicht wird? Dieses wollen wir über ein höheres Wissen um den Klimawandel und Handlungsmöglichkeiten des Klimaschutzes für Jugendlichen ermöglichen (Outcome). Und was muss passieren, um das zu erreichen? Wir veranstalten einen partizipativen Workshop für Jugendliche zur Mitbestimmung von Fragen des Klimaschutzes in der Kommune (Output). Und dafür braucht es Arbeitskräfte, die den Workshop planen und durchführen, und ggf. finanzielle Ressourcen oder Sachmittel, um beispielsweise die Räumlichkeit zu stellen (Input).

Die Wirkungstreppe

Eine Beschäftigung damit, wie sich Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene erzielen lassen, ist gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Zielgruppe, für die man Maßnahme plant. Ein Planungsinstrument für soziale Wirkungen ist die Wirkungstreppe (vgl. Abb. 2), die die Wirkungslogik (vgl. Abb.) nochmals konkretisiert. 

Auf den unterschiedlichen Stufen der Treppe wird untersucht, ob eine Maßnahme wie geplant stattfindet (1), ob damit die Zielgruppe überhaupt erreicht wird (2), und ob die Zielgruppe die Maßnahme akzeptiert (3). Erst wenn diese Stufen auf der Input-Ebene gegeben sind, stellt sich in der Folge eine Wirkung auf der Outcome-Ebene ein. Die Zielgruppe verändert ihr Bewusstsein bzw. ihre Fähigkeiten (4), ihr Handeln (5), so dass sich die Lebenslage der Zielgruppe ändert (6). Diese Stufen zahlen auf die Veränderung der Gesellschaft ein (7). Bei allen Stufen fragt man sich, was geschehen muss, damit diese Stufe erfüllt wird.

BNE-Prozess gemäß der Wirkungstreppe

Übertragen wir das Modell der Wirkungstreppe auf einen fiktiven kommunalen BNE-Prozess. Ziel ist die strukturelle Verankerung von BNE in der kommunalen Bildungslandschaft. Nun stellen wir uns die Frage, welche Schritte auf der Wirkungstreppe nötig sind, um diese Wirkung zu erzielen (vgl. Abb.). 

In unserem Beispiel definieren wir Jugendliche als Zielgruppe unserer Maßnahmen und Aktivitäten. Aus Sicht einer kommunalen BNE-Koordination empfiehlt es sich zunächst, die Zusammenarbeit mit Jugendorganisationen zu suchen und übergeordnete Gremien wie z. B. einen "Runden Tisch BNE" zu gründen, um verschiedene Akteurinnen und Akteure zusammenzubringen und zu koordinieren (1)(Vgl. Handlungsfeld Steuerung und Koordination). Gemeinsam wird eine "BNE-Woche" für Jugendliche organisiert, um Fragen des Klimaschutzes zu adressieren (2). Um die Jugendlichen zu erreichen, werden Information über die Schulen, das Internet und Social Media verbreitet (3). Diejenigen Jugendlichen, die sich für Klimaschutz interessieren, melden sich zur BNE-Woche (4). In Workshops über SDGs lernen die Jugendlichen über Möglichkeiten des lokalen Klimaschutzes (5). Auf Grundlage der Workshops werden Ideen zur Umsetzung der SDGs und des Klimaschutzes auf lokaler Ebene gesammelt (6). Eine Idee ist die Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs zur „klimafreundlichen Kommune“, der im Rahmen eines Jugendparlaments abgestimmt wird (7). Die Kommune nimmt die Vorschläge des Maßnahmenkatalogs auf, so dass konkrete Veränderungen in der Stadtplanung, z. B. beim Verkehrskonzept eintreten (8). 

Auch in diesem fiktiven Beispiel lässt sich in sämtlichen Schritten danach fragen, was geschehen muss, um die jeweiligen Anforderung einer Stufe zu erfüllen. Reicht es beispielsweise auf Stufe 3 aus, die Zielgruppe über die Schulen anzusprechen oder müssen andere Kommunikationsinstrumente einbezogen werden? Oder wie sind die SDG-Workshops zu gestalten, damit die Jugendlichen auch wirklich ihr Wissen erweitern (5) und anschließend entsprechende Kompetenzen (weiter-)entwickeln (6)? Gute Kenntnisse der Zielgruppe (Vgl. Handlungsfeld Sichtbarkeit und Kommunikation) sind dafür ebenso wichtig wie eine Orientierung der Bildungsangebote an BNE-Qualitätskriterien (Vgl. Text "Was charakterisiert ein BNE-Bildungsangebot?")

Wirkungsorientierung und BNE – Relevanz für Kommunen

Wirkungsorientierung ist wichtig für die Planung, Umsetzung und Evaluation von BNE-Initiativen. Sie stellt sicher, dass Aktivitäten auf die gewünschten Ergebnisse und gesellschaftlichen Wirkungen ausgerichtet sind. Durch die Nutzung von Indikatoren und Erhebungen bei der Zielgruppe können Kommunen den Fortschritt und die Effektivität ihrer BNE-Projekte verfolgen. So kann z. B. über Interviews und Fragebögen erhoben werden, inwieweit die Zielgruppe eines BNE-Bildungsangebots auch wirklich erreicht wird (Vgl. BNE an der Volkshochschule).

So hat das Umweltbundesamt in einer Studie die langfristigen Auswirkungen von Umweltbildung auf Schüler:innen untersucht. Sie analysiert, wie Umweltbildung das Wissen, die Einstellungen und das Verhalten der Schüler:innen im Laufe der Zeit verändert. Eine zentrale Erkenntnis ist, dass kontinuierliche Umweltbildungsmaßnahmen zu einem nachhaltigen Umweltbewusstsein und einem umweltfreundlicheren Verhalten führen können (vgl. Umweltbildungsamt 2020).

Ein weiterer Aspekt für die Relevanz von Wirkungsorientierung im kommunalen Kontext ist die (Ko-)Finanzierung geförderter Maßnahmen, sei es durch die öffentliche Hand wie Ministerien, private Sponsoren bzw. Stiftungen, oder durch Kommunen selbst. Immer öfter wird in Förderrichtlinien eine Ausrichtung auf intendierte Ziele und Wirkungen eingefordert (vgl. Stiftung Nord-Süd-Brücken 2020). Dieses Mittel ermöglicht es Geldgebern anhand überprüfbarer Indikatoren und Kennzahlen, Projekte einer Fortschrittskontrolle zu unterziehen. Kommunale Bildungsträger professionalisieren dadurch ihr Projektmanagement, von der Planung über die Steuerung bis hin zur Evaluation.

Eine weitere thematische Säule einer BNE, bei der eine wirkungsorientierte Planung und Steuerung zum Tragen kommt, sind partizipative Beteiligungsverfahren (Vgl. Handlungsfeld "Partizipation"). Diese können zum einen bei Maßnahmen die Akzeptanz der Bevölkerung und somit die demokratische Legitimation fördern. Zum anderen entwickeln Teilnehmende bei Beteiligungsverfahren eben jene Gestaltungskompetenzen, die einer BNE zu Grunde liegen. Gerade für kommunale Verwaltungen bieten sich vielfältige Möglichkeiten, unterschiedliche Gruppierungen einzubeziehen, beispielsweise durch die Beteiligung an Entscheidungsfindungsprozessen (vgl. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und Bundeskanzleramt 2011).

Fazit

Die Wirkungsorientierung ist ein Ansatz, bei dem Maßnahmen so konzipiert werden, dass ihre Ergebnisse und Wirkungen klar definiert und messbar sind. Im Kontext der BNE bedeutet dies, dass Maßnahmen darauf abzielen, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch nachhaltige Verhaltensweisen und Einstellungen zu fördern.

Natürlich lassen sich – gerade bei partizipativen Verfahren – nicht alle Schritte und Maßnahmen wie auf dem Reißbrett planen. Eine Ausrichtung an der Wirkungslogik bzw. die Verwendung von Planungsinstrumenten wie der Wirkungstreppe bieten kommunalen Fachkräften zumindest eine gewisse Steuerungsgrundlage, mit der sie in der BNE-Koordination Prozesse und Maßnahmen systematisch erfassen und planen können.

Oft fehlt es Kommunen zwar an den nötigen finanziellen oder personellen Ressourcen, um beispielsweise einen umfassenden Berichtsrahmen zu BNE zu erstellen (vgl. Stadt Freiburg i. B. 2022). Gleichzeitig eröffnet sich mit einer wirkungsorientierten Planung und Steuerung zum einen auch im projekthaften Kontext ein besseres Verständnis von Zielgruppen. Und zum anderen verbessert sie im Idealfall die Allokation kommunaler Ressourcen im Zusammenspiel mit geplanten Maßnahmen und Projekten. 


Literatur

Autorengruppe BNE-Kompetenzzentrum (2023): Praxishandbuch. Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kommune gestalten. München

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und Bundeskanzleramt (2011): Praxisleitfaden zu den Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung, Version: 2011, Wien

Stadt Freiburg i. B. (2022): 5. Freiburger Bildungsbericht – Bildung für nachhaltige Entwicklung, Freiburg, abrufbar unter: https://www.freiburg.de/pb/site/Freiburg/get/params_E658200453/1914777/Bildungsbericht_2022_WEB.pdf (27.06.2024)

De Haan, G. (2008): Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept für Bildung für nachhaltige Entwicklung, in: n: Bormann, I., De Haan, G. (Hrsg.): Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung, Wiesbaden, S. 23–44

Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (2015): UN-Dekade mit Wirkung - 10 Jahre „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in Deutschland, Bonn, abrufbar unter: https://www.ewi-psy.fu-berlin.de/erziehungswissenschaft/arbeitsbereiche/institut-futur/projekte_alt/Laufende-Projekte/WAP_BNE/Downloads/UN_Dekade_BNE_2015.pdf (27.06.2024) 

Phineo (2021): Kursbuch Wirkung, Berlin, abrufbar unter: https://www.phineo.org/uploads/Downloads/PHINEO_KURSBUCH_WIRKUNG.pdf (27.06.2024)

Stiftung Nord-Süd-Brücken (2020): Förderrichtlinie zur Sächsischen Landesstrategie Bildung für Nachhaltige Entwicklung, abrufbar unter: https://nord-sued-bruecken.de/assets/files/files/foerderprogramme/in-sdg/Foerderrichtlinien.pdf (27.06.2024)

Umweltbildungsamt (2020): Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung – zielgruppenorientiert und wirkungsorientiert!. Abschlussbericht, Deßau-Roßlau, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-06-29_texte_118-2020_umweltbildung-bne.pdf (27.06.2024)

Vereinte Nationen (2015): Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, New York, abrufbar unter: https://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf (27.06.2024)

| Tibor Manal