Eine Station im Zeitgarten Meilensteine ist der Meilenstein "Kriegsbeginn und Evakuierung 1939": Die Metallstatue zeigt 2 Personen, die einen vollgepackten Handwagen ziehen und schieben.

„Zeitgarten Meilensteine“ im Landkreis Saarlouis

Ein partizipatives Kooperationsprojekt unter Leitung der programmatischen Schulentwicklung des Landkreises Saarlouis

Ein partizipatives Projekt mit jungen Menschen durchführen, sich mit historischen und gegenwärtigen Fragen des guten Lebens beschäftigen und dies langfristig für alle Bürger:innen der Kommune zugänglich machen? Genau das wurde im Landkreis Saarlouis im Jahr 2016 umgesetzt: Das Ergebnis ist der „Zeitgarten Meilensteine“ , ein begehbarer „Stationenpark“ für interessierte Bürger:innen im Garten vor dem Kreisständehaus und dem Altbau des Landratsamts Saarlouis. Das Geschichts- und Kunstprojekt mit Schüler:innen der Kreisschulen war Teil des Programms „Gemeinsam Schule gestalten – Landkreis Saarlouis macht Schule“ und involvierte verschiedene Akteur:innen der BNE-Bildungslandschaft des Landkreises in einem von Beginn an partizipativen Prozess. Wie ist der Zeitgarten entstanden?

Einen öffentlichkeitswirksamen Anlass nutzen

Bis zum Jahr 2016 war der Garten vor dem Kreisständehaus und dem Altbau des Landratsamts für Besucher:innen nicht geöffnet. Anlässlich des 200. Jubiläums des Landkreises Saarlouis wurde der Garten nicht nur ganzjährig für die Bevölkerung zugänglich gemacht, sondern auch mit einem partizipativen Projekt gewürdigt, als „Zeitgarten Meilensteine“.

Gemeinsam mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren ein partizipatives Projekt realisieren

Im Rahmen des Schulentwicklungsprogramms „Gemeinsam Schule gestalten“ beschäftigten sich 20 Schüler:innen  der Klassenstufen 9-12 aus verschiedenen Saarlouiser Kreisschulen mit der Geschichte des Landkreises. Die Gesamtkonzeption und die Meilensteine selbst wurden mit den Schüler:innen gemeinsam entwickelt: von der Auswahl des Meilenstein-Themas, über die Gestaltung der Steine, die Auswahl des „persönlichen Meilensteins“ aus der Festungsmauer, dem Erstellen eines Modells und dem Ausbrennen in der Stahlwerkstatt bis zur feierlichen Eröffnung des Parks – die Jugendlichen brachten ihre eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten mit ein, arbeiteten im Team und konnten bei der feierlichen Eröffnung stolz auf ihre Werke blicken, die nicht nur von den Bürger:innen, sondern auch vom Landrat mit Begeisterung gewürdigt wurden.

Dabei ging es nicht darum, was bisher als wesentliche Stationen in der historischen Entwicklung des Landkreises von Bedeutung war, sondern welche Stationen die Jugendlichen als wesentlich erachteten und wozu sie in ihrer eigenen gegenwärtigen Lebenswelt eine Beziehung herstellen konnten. So nahmen sie verschiedene politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Meilensteine in den Blick. Als sich die Schülerinnen und Schüler einzeln oder in Gruppen für bestimmte historische Momente entschieden hatten, entwarfen sie selbstständig ein passendes Symbol für ihre Station. Dieses Symbol konnten sie dann gemeinsam mit dem im Landkreis historisch verwurzelten Stahlwerk Bous in eine Metallstatue formen. Diese Statuen stehen nun im Garten auf von den Jugendlichen ausgewählten Mauersteinen der Vaubanfestung, einer historischen Anlage, die 1680 von Louis XIV. veranlasst worden war.

Unterstützung bekamen die Jugendlichen von Historiker Dr. Jürgen Hannig, Landschaftsplaner Carlos Stuckert und Michael Klein sowie für die künstlerische Ausgestaltung der „Meilensteine“ von Armin Hans und Dietmar Jarig (Stahlwerke Bous) und von Josef Petry (Universität der Künste in Berlin). Das Projekt wurde von Schulentwicklungsplanerin Natalie Sadik, beim Amt für Schulen, Kultur und Sport/Stabsstelle Bildung Saarlouis, konzipiert und geleitet und von Bernd Freudenreich und Dirk Apitz aus dem Kreisbauamt unterstützt. Essentiell für den Erfolg des Projektes war auch die Rückendeckung des Landrates Patrik Lauer und der damaligen Amtsleiterin für Schulen, Kultur und Sport Margit Jungmann.

Die letzte Station zeigt ein Fragezeichen.

Das Projekt langfristig anlegen

Wenn man durch den Garten schreitet, ist jede Station mit einer Informationstafel versehen, die zum Nachdenken über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft anregt. Im Projekt wurde außerdem darauf geachtet, dass zu jeder Jahreszeit andere Pflanzen blühen, damit der Garten ganzjährig verschiedene Facetten des natürlichen Kreislaufs und die Veränderung über die Zeit hinweg abbildet. So wird nicht nur die Geschichte des Landkreises durch die Meilensteine erfahrbar, sondern man erlebt gleichzeitig durch die verschiedenen Pflanzen den Einfluss des Menschen auf sein natürliches Umfeld in einem größeren zeitlichen Rahmen. Daher steht auch der letzte Meilenstein mit einem großen Fragezeichen da, damit sich jede:r Bürger:in am Ende des Zeitgartens die Frage stellen kann: „Wie möchte ich leben? Wie kann ich meine Gegenwart und Zukunft gestalten?“

Mittlerweile ziert den Garten eine weitere Stahlfigurenausstellung, die ebenso in Kooperation mit Schülerinnen und Schülern entstanden ist und den Kreislauf des Plastikmülls über das Land, das Wasser, deren Lebewesen zurück bis in unseren Körper abbildet. Diese Ausstellung wurde durch den Rat für Nachhaltige Entwicklung als Leuchtturmprojekt ausgezeichnet. Der Garten wird also fortlaufend mit neuen Projekten bestückt, um den öffentlichen Austausch über nachhaltiges Zusammenleben stetig anzuregen.


Wie gelingt die Umsetzung, Frau Sadik?

Die Schulentwicklungsplanerin Natalie Sadik aus der Stabsstelle Bildung/Amt für Schulen, Kultur und Sport hat das Projekt konzipiert und geleitet. Im Interview gibt sie Einblicke in den Prozess von der Idee bis zur Einweihung.

Was ist der Zeitrahmen für solch ein Projekt?

„Von der Idee bis zur Einweihung haben wir ein Jahr gebraucht. Das ging deshalb so schnell, weil wir die Strukturen für Beteiligungsprojekte und ämterübergreifende sowie interkommunale Zusammenarbeit aus den vielen vorherigen Projekten bereits geschaffen haben. Wenn eine Kommune solch einen partizipativen, ämterübergreifenden Beteiligungsprozess zum ersten Mal in Angriff nimmt, dann braucht es sicher mehr als ein Jahr Zeit von der Idee bis zur Einweihung."

Welche Kosten sollten kalkuliert werden?

„Größere Kostenpunkte in der Realisierung solch eines breit angelegten Projektes entstehen durch die Konzeptentwicklung, Projektbegleitung und –steuerung, für die Projektleitung der einzelnen Beteiligungsprojekte im Gesamtprozess, für die Landschaftsarchitekten, Pflanzenbeschaffung, Baumaßnahmen und Anlegen des Gartens sowie Honorare für die Begleitung durch die Projektpartner. In unserem Projekt konnten wir die Kosten dadurch gering halten, weil die meisten Arbeitspakete in Eigenleistung und in ämterübergreifender Zusammenarbeit erfolgt sind.“

Wer ist die Zielgruppe? Wen erreicht man durch solch ein Projekt?

„Man erreicht natürlich alle, die mitgemacht haben. Aber darüber hinaus auch Gruppen, mit denen man gar nicht unmittelbar in Kontakt ist, z.B. Bürger:innen, Besucher:innen, Tourist:innen, andere Kommunen. Es gab Anfragen zum Tag der offenen Gärten in Deutschland. Es gibt nach wie vor einmal im Jahr eine Führung durch den Garten für interessierte Menschen. Anlässlich des Tags der Geschichte haben sich Historiker:innen mit verschiedenen Aspekten in der Landkreisverwaltung beschäftigt und dazu in der Zeitschrift des Kreisarchivs einen Artikel publiziert. Es sind jeden Tag Besucher:innen im Garten, auch aus der französisch-luxemburgischen Region, die gezielt den Garten besuchen. Auch Wissenschaftler:innen und Politiker:innen aus dem Rat für Nachhaltige Entwicklung oder aus dem Bildungsministerium haben den Garten besucht. An diese Zielgruppen hat man vorher gar nicht gedacht.“

Was ist bei der Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartner:innen zu beachten?

„Zunächst sollte man sich fragen: Was will ich im Projekt verwirklichen und wer ist demzufolge in seiner Zuständigkeit unbedingt mit einzubinden?
Man sollte von Anfang an mit allen Kooperationspartner:innen transparent kommunizieren. Die Einbindung von Anfang an ist sehr wichtig für den Erfolg eines solchen Gemeinschaftsprojekts. Man sollte dann gemeinsam einen Strukturplan erstellen, der beinhaltet, wer was mit wem und wann macht.

Nach einer ersten Kostenkalkulation sollte man entsprechende Haushaltsmittel beantragen.
Die zuständigen und damit federführenden Ämter müssen adressiert werden – in diesem Fall das Bauamt. Die einzubindenden Kooperationspartner:innen müssen angesprochen werden, hier also: das Grünamt, die Schulen, der Denkmalschutz sowie weitere Akteur:innen wie professionelle Landschaftsplaner.

Der Arbeitsplan sowie der Gartenplan hingen in meinem Büro und gemeinsam wurde teilweise zu zwanzigst im Plan geschaut, wie der Stand des Projekts ist und wie es weitergeht. Wenn alle von Anfang an eingebunden werden, stellt man sicher, dass das Projekt im zeitlichen Verlauf umgesetzt werden kann und die Finanzierung stimmt. Außerdem erhöht diese Beteiligung maximal die Identifikation mit dem Projekt, so dass alle sich verantwortlich fühlen und es als ihr eigenes Projekt ansehen. Das heißt auch, dass alle, die mitgewirkt haben, einzeln gewürdigt werden müssen, wenn das Projekt am Ende vorgestellt wird. So wurde sowohl auf einer Tafel im Zeitgarten als auch in der Abschlusspräsentation jede:r namentlich erwähnt.“

Können Sie die wesentlichen Schritte des Projektes nennen?

„Von der Projektidee zur Umsetzung gab es die folgenden Meilensteine:

  • Das Konzept entwickeln – und zwar ein machbares Konzept in Kenntnis der Möglichkeiten und in Kenntnis der Unmöglichkeiten.
  • Den Struktur- und Arbeitsplan erstellen – mit Identifizierung der Kooperationspartner:innen.
  • Ein erstes Treffen organisieren, um das Netzwerk der Kooperationspartner:innen aufzubauen, um alle zu informieren und zum Mitmachen anzuregen.
  • Eine Zeitschiene aufstellen.
  • Parallel die einzelnen Bausteine des Projekts begleiten, betreuen und leiten. Alle Schritte in der Zeitschiene sind miteinander verbunden. Z.B. finden Schülerbeteiligungsworkshops gleichzeitig mit Vorgängen in der Finanzverwaltung statt. Da ist es in der Umsetzungsphase wichtig den Überblick zu behalten und die Qualität aller Teilschritte zu sichern.
  • Dann die öffentliche Veranstaltung vorbereiten: Alle Beteiligten bekommen dabei eine eigene Rolle. Zudem ist das die intensive Phase der Pressearbeit.
  • Öffentliche Veranstaltung durchführen und das Projekt gemeinsam würdigen und feiern.

Da es sich um ein Partizipationsprojekt handelt, ist eine Sache durchgehend wichtig: Viel Raum lassen für Kommunikation, nicht nur mit Kooperationspartner:innen, sondern auch mit allen Menschen, die unerwartet auftauchen mit Interesse, aber auch Unverständnis und Kritik. D.h. zum einen sich die unterschiedlichen Interessen, Meinungen und auch Befindlichkeiten anzuhören und mit den Menschen in Beziehung zu treten. Zum anderen ist viel Erklärarbeit gefragt. Nur so erreicht man eine breite Akzeptanz und im Idealfall werden selbst anfängliche Skeptiker:innen zu Unterstützer:innen.“

Was ist bei der Koordination eines solchen Projekts wichtig?

„Die Zusammenarbeit in den Blick zu nehmen, d.h. alle miteinbinden, transparente Kommunikation, Anerkennung der Zuständigkeiten und Kompetenzen, das Gemeinschaftsgefühl fördern, die Zusammenarbeit würdigen und auch flexibel auf Vorschläge eingehen. Kurz: Ein wertschätzender kooperativer Arbeitsstil.

Nichts ist kontraproduktiver, als wenn sich Leute übergangen fühlen oder in ihrer Zuständigkeit nicht gesehen werden. Zudem gibt es auch immer Menschen, die einem so ungewöhnlichen Projekt kritisch gegenüberstehen. Auch mit diesen Akteur:innen ist ein freundlicher und ehrlicher Umgang wichtig.“

Wie macht man solch ein Projekt bekannt?       

„Zunächst groß auf der Homepage des Landkreises. Wenn es einen besonderen Anlass gibt, wie bei uns die 200-Jahrfeier, dann in einer extra Rubrik zu der Feier. Wichtig ist auch die Presse, vor allem örtliche Zeitungen. Öffentliche Veranstaltungen schaffen Aufmerksamkeit und mit Gartenführungen kann diese auch langfristig erhalten werden. Zudem kann man den Garten nun immer wieder als Veranstaltungsort für weitere öffentliche Veranstaltungen und Aktionstage nutzen.“

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Natalie Sadik
| Dr. Angela Firmhofer
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