Schule

Ganztagsschule und BNE

Aufgaben und Handlungsspielräume der Kommune

Kommunale Verwaltungen sehen sich derzeit mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen z.B. Themen wie die Unterkunft und Integration Geflüchteter, Klimaschutz, Wohnen und Finanzen usw. (Deutsches Institut für Urbanistik, 2023).

Eine weitere vieldiskutierte Herausforderung für kommunale Verwaltungen ist die Bewältigung der Aufgaben, die mit dem am 11. Oktober 2021 verkündeten „Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz - GaFöG)“ einhergehen. Ab August 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch darauf haben, ganztägig gefördert zu werden. In den Folgejahren wird der Rechtsanspruch bis August 2029 um je eine Klassenstufe erweitert und bis somit alle Grundschulkinder ganztägig beschult werden können. Kommunen müssen bis 2026 als Verantwortliche für die äußeren Schulangelegenheiten (vgl. Avenarius & Füssel, 2010) die Rahmenbedingungen schaffen, damit dies ermöglicht werden kann.

Vor dieser Gemengelage ist es nicht verwunderlich, wenn sich viele Kommunen verstärkt auf ihre Pflichtaufgaben – zu denen der Ausbau von Ganztagsangeboten gehört - konzentrieren und freiwillige Aufgaben – wie die Implementierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in die jeweiligen kommunalen Bildungslandschaften – nicht mit Vorrang bearbeitet werden. Dass dies problematisch ist – gerade vor dem Hintergrund der großen Menschheitsherausforderungen aufgrund von Klimawandel und Verlust von Biodiversität sowie der Notwendigkeit alle Menschen für die Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen zu befähigen – liegt auf der Hand. Dennoch haben kommunale Verwaltungen nur begrenzt Ressourcen und müssen priorisieren.

Diesem Umstand folgend soll im Folgenden auch keine Begründung für die Notwendigkeit, BNE voranzubringen, erfolgen (Vgl. Was ist BNE und warum). Es soll vielmehr aufgezeigt werden, dass die Thematik BNE synergetisch zur Bewältigung weiterer kommunaler Herausforderungen genutzt werden kann.

Gestaltungsmöglichkeiten für Kommunen als Schulträger

Kommunen haben als sogenannte Schulträger grundsätzlich die Pflicht, die äußeren Rahmenbedingungen für den Betrieb von Schulen sicherzustellen (Avenarius & Füssel, 2010).
Das umfasst unter anderem:

  • den Bau und die Instandhaltung der Schulgebäude,
  • die Einstellung und Finanzierung des Personals jensseits der Lehrkräfte (z.B. Verwaltungspersonal, aber auch zusätzliches pädagogisches Personal wie Schulsozialarbeiter usw.)
  • die Deckung des Sachbedarfs der Schule (Innenaustattung; Lehrmittel; IT-Technik)
  • die Schüler:innenbeförderung
    (Freese & Schwarting, 2019; Avenarius & Füssel, 2010)
     

An diesem Punkt kann zunächst auch unabhängig von der Ganztagsthematik festgehalten werden, dass die kommunale Verwaltung starken Einfluss auf die nachhaltige Gestaltung der Infrastruktur der Schule nehmen kann. Dies ist aber nicht nur aus pädagogischer Sicht sinnvoll (vgl. Was ist der Whole Institution Approach und warum ist er wichtig?), sondern kann langfristig dazu beitragen, Kosten zu senken – beispielsweise des Ressourcen- und Energieverbrauchs oder bei der Entsorgung von Abfällen.

Ganztagsschulen benötigen darüber hinaus mehr und andere Räume, beispielsweise Mensen oder Räume für musikalische, künstlerische und sonstige Angebote (Freese & Schwarting, 2019).

Anregungen und Beispiele

Neue Aufgaben durch den Ganztagsausbau und Chancen für BNE

Der Verwaltung fällt eine zentrale Steuerungsfunktion beim Ausbau der Ganztagsschule insgesamt zu. Ihr obliegt die Aufgabe, die Ganztagsfördermittel zu bewirtschaften. Mit diesem Verantwortungszuwachs für kommunale Verwaltung im Bildungsbereich geht ein Mehr an Gestaltungsmöglichkeiten einher.

Nach derzeitigem Stand kann eine flächendeckende Versorgung mit Ganztagsangeboten nur gelingen, wenn sich die Schulen für den Sozialraum öffnen und mit außerschulischen Partnern kooperieren. Auch hier hat die kommunale Verwaltung einen großen Handlungsspielraum z.B. bei der Förderung dieser Zusammenarbeit sowie dem Aufbau von Vernetzungsstrukturen. Gerade hier bieten sich vielfältige Potenziale, die häufig durch zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure bereitgestellten Angebote im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung für den Ganztag zu nutzen. So kann gleichzeitig die Kompetenzentwicklung hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung in der lokalen Bürgerschaft gestärkt werden. Die zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure erschließen sich dabei neue Handlungsfelder und Zielgruppen hinsichtlich BNE. Der Mehrwert für die Schulen besteht darin, dass diese Unterstützung bei der Gestaltung des Ganztags erhalten. Lokale Partner wie Museen, Bibliotheken, Sportvereine und Umweltorganisationen können einbezogen werden, um das Plus an Lernraum und Zeit abwechslungsreich und interessant zu gestalten. So können Schülerinnen und Schüler Projekte durchführen, die auf die Prinzipien der Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, wie zum Beispiel Umweltprojekte, Projekte zu gesunder Ernährung, sozialem Engagement und interkulturellem Austausch.

Anregungen und Beispiele

 

  • Die Stadt Lübbecke hat eine Kooperationsvereinbarung mit den städtischen Schulen und dem NABU Minden-Lübbecke e.V. aufgesetzt.
  • Auch die Stadt Heidelberg setzt auf die Kooperation mit außerschulischen Partnern: Der Verein päd-aktiv e.V. bietet im Auftrag der Stadt an allen Heidelberger Grundschulen Randzeiten- und Ferienbetreuung an. BNE ist seit einigen Jahren Schwerpunktthema der pädagogischen Arbeit.
  • Viele Ganztagsschulen haben bspw. das Lernformat „FreiDay“ eingeführt. In Leipzig wurde dazu gemeinsam mit der Initiative „Schule im Aufbruch“ ein Fortbildungstag veranstaltet.

Kommunale Beispiele zu BNE im Ganztag zeigen Synergieeffekte auf

Ein Beispiel wie BNE im Ganztag gewinnbringend für alle Beteiligten umgesetzt werden kann, ist der Ansatz der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart. Hier wird im Sinne des Whole Institution Approach der ganzheitliche Weg beschritten, BNE nicht nur inhaltlich-thematisch zu vermitteln, sondern über die Infrastruktur und das Schulleben direkt erfahrbar zu machen. Dies gelingt etwa über schulweite und gemeinsam erarbeitete Konzepte und deren Umsetzung von Energiesparmaßnahmen, Abfallreduzierung, Anlage und Pflege von Schulgärten etc. Der Fokus liegt dabei momentan auf den ökologischen Aspekten von Nachhaltigkeit; langfristig sollen Aktivitäten die Ganzheitlichkeit nachhaltiger Entwicklung stärker in den Mittelpunkt rücken.

Das Besondere in Stuttgart: Die Landeshauptstadt unterstützt insbesondere BNE-Aktivitäten im Ganztag. Über die Förderung „Naturzeiten im Ganztag“ können Ganztagsgrundschulen und Trägern des Ganztags Aktivitäten im und außerhalb des Unterrichts sowie während der Ferienzeiten finanziert werden.  Das Stuttgarter Schulverwaltungsamt koordiniert die Förderung gemeinsam mit der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaften. Die Förderung wird, insbesondere durch die beteiligten (freien) Träger, sehr gut angenommen.

Über die Förderung und Unterstützung der Zusammenarbeit hinaus können auch weitere Maßnahmen durch den Ganztagsausbau angestoßen werden: Die Kommunen können Steuerungs- und Planungsgremien für die Ganztagsschulentwicklung initiieren oder bestehende Gremien dafür nutzen und dabei BNE zu einem festen Bestandteil der Steuerung von Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung machen. Sie können eine integrierte Bildungsberichterstattung auflegen, Bildungsbüros errichten oder ihre eigenen öffentlichen Angebote der Bildung für nachhaltigen Entwicklung für die Ganztagsschulangebote weiter öffnen und dort etablieren.

Beispielsweise hat die Stadt Bamberg im Rahmen des Projekts „Ganztag in der Grundschule“ eine Umfrage zu Bedarfen von Familien mit Grundschulkindern durchgeführt. Die Ergebnisse flossen in das Planungsgremium Werkstatt Ganztag ein.

Aus Perspektive der Kommune lohnt sich aber auch der Blick auf die Landesebene. Oftmals gestalten Kultus- oder Umweltministerien weitere Unterstützungs- und Vernetzungsangebote, die über eine Zuständigkeit hinsichtlich der Finanzierung und Setzung der rechtlichen Rahmenbedingungen hinausgehen. So hat das Land Baden-Württemberg ein BNE-Schulnetzwerk gegründet. In Niedersachsen wurden im Rahmen des sogenannten BNE-Erlasses spezielle BNE-Ansprechpersonen an den Schulen eingerichtet.

Bei eigener Zuständigkeit – hier gibt es landesspezifische Unterschiede – können Kommunen in Personalfragen Qualitätsstandards entwickeln: Sie können beispielsweise Personalschlüssel oder Mindestqualifikationen festlegen und gezielt Personal mit Kompetenzen im Bereich der Bildung für nachhaltigen Entwicklung gewinnen, welches wiederum sowohl die Schulen bei ihrer Arbeit unterstützt und gleichzeitig Nachhaltigkeit im Ganztag implementiert. Im Grunde eine vierfache Win-Situation: für die Schule, für die zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, für die kommunale Verwaltung und für den notwendigen Übergang in eine nachhaltige Gesellschaft.

Bildung für nachhaltige Entwicklung kann in dieser Perspektive eine Lösung für kommunale Herausforderungen sein.

Literatur

Avenarius, H., & Füssel, H.-P. (2010). Schulrecht. Ein Handbuch für Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft. Kronach: Carl Link.

Deutsches Institut für Urbanistik. (2023). OB-Barometer 2023. Nerlin: Deutsches Institut für Urbanistik.

Freese, J., & Schwarting, G. ( 2019). Grundwissen Kommunalpolitik: 11. Schule, Kultur, Sport. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.

| Dr. Jörg Eulenberger, Tibor Manal, Dr. Lea Schütze
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