Tisch zu den 17 Nachhaltigkeitszielen vor dem Rathaus

„DemokraTische“ in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald

Bürger:innenbeteiligung goes BNE

Zur Frage „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ gehört, dass sich die Menschen selbstständig mit dem Gegenstand nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen und Einfluss auf Lösungen nehmen können. Durch eine solche Perspektive der mündigen Bürger:innen kommen Perspektiven zum Tragen, die manchmal etwas aus dem Blick von Verwaltung, Politik und Bildungslandschaft geraten oder nicht erhört werden.

Auch die Arbeitsgruppe BNE in der Stadtverwaltung suchte nach einem Format, um auf der einen Seite Greifswalds Bürger:innen über die Arbeit zu informieren und für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, anderseits aber auch Rückmeldung und wertvolle Impulse aus der Bevölkerung zu erhalten. Bei der Ideenfindung rückten die schon seit 2019 in Greifswald bestehenden DemokraTische in den Blick.

Was sind die DemokraTische?

Dieses Format wurde von der „Partnerschaft für Demokratie“ und der Stadtverwaltung entwickelt, um ein niedrigschwelliges und wiederkehrendes Gesprächsangebot für Bürger:innen zu schaffen.

Einladung zum Gespräch am DemokraTisch

Die Idee ist, bei Kaffee, Tee und Keksen miteinander ins Gespräch zu kommen und Menschen zusammen zu bringen, die sich sonst im Alltag nicht unterhalten würden, weil sie in verschiedenen Kontexten leben. Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass die Gespräche zumindest zum Teil auf der Straße und an öffentlichen Plätzen stattfinden sollen, um auch die Menschen zu erreichen, die nicht gezielt zu Veranstaltungen gehen. In der Regel gibt es eine kleine zweistellige Anzahl an Tischen in der Stadt. Die konkreten Themen der einzelnen Tische bestimmt der oder die jeweilige Gastgeber:in.

Nachhaltigkeit als Kernthema im Jahr 2022

2022 wurden die Tische das erste Mal mit Fragen der Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und ihren 17 Zielen verbunden. An insgesamt sechs Tischen konnten die Bürger:innen direkt mit den Mitgliedern der Steuergruppe BNE ins Gespräch kommen, wurden über die Arbeit informiert und konnten ihre Eindrücke und Wünsche abgeben.

Die Themen der sechs Tische waren:

  • Die Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen 
  • Nachhaltige Lern- und Erlebnisorte in der Stadt
  • Mobilität in der Stadt
  • Insekten- und (Wild)Bienenschutz
  • Geschlechtergerechtigkeit in der Kommunalverfassung M-V
  • Fairer Handel – Wie geht das?

Die Tische wurden in der Fußgängerzone, am Rathaus, auf dem Marktplatz und in der Nähe der Stadtbibliothek angeboten. Dort konnten Menschen, die vorbeigingen, anhalten und zum jeweiligen Thema diskutieren. An manchen Tischen gab es Flipcharts oder große Karten, an denen die Menschen ihre Ideen und Rückmeldungen anschreiben konnten. Anschließend wurden die Rückmeldungen in der Arbeitsgruppe BNE ausgewertet.

Wie gelingt die Umsetzung, Frau Kowalzyck?

Die Idee zu den BNE-Tischen wurde durch die damalige Beauftragte für Gleichstellung und Bürgerbeteiligung, Claudia Kowalzyck eingebracht. Im Interview gibt sie Einblicke in den Prozess und hilfreiche Tipps für andere Kommunen.

Fr. Kowalzyck, warum ist es Ihnen als Stadt wichtig, Bürger:innen bei Fragen der Nachhaltigkeit anzuhören und mit Ihnen ins Gespräch zu kommen?

„Ideen gibt es viele – aber auch die beste Idee nützt wenig, wenn sie nicht getragen und umgesetzt wird. Es ist daher sehr wichtig, den Kontakt zu den Menschen zu haben, von ihnen zu hören, was ihre Wünsche, Erwartungen und Schwerpunkte sind. Mit dem Wissen, welche Bedarfe die Bürger:innen haben und für die Stadt sehen, lassen sich bessere strategische Überlegungen anstellen und Aktionen angehen, um diesen Bedarfen gerecht zu werden.“

Welche Idee war mit der Fokussierung auf BNE verbunden?

„BNE sagt vielen Menschen erst einmal nichts. Was bedeutet nachhaltige Bildung? Was gibt es in Greifswald dazu? Welche Angebote gibt es noch nicht in Greifswald, was brauchen wir noch? Wie soll die Stadt sich (nachhaltig) entwickeln? All diese Fragen beschäftigen viele Akteurinnen, Akteure und Bürger:innen und auch die AG BNE der Stadtverwaltung. Um direkt mit den Einwohner:innen ins Gespräch zu kommen, waren wir auf der Suche nach einem einfachen und niedrigschwelligen Format.“

Wie wurden die DemokraTische konkret mit Fragen der Nachhaltigkeit verbunden?

„Wir haben innerhalb der AG BNE überlegt, welche Themen jedem Einzelnen von uns wichtig sind bzw. welche Themen im eigenen Arbeitsumfeld relevant sind. Wichtig war uns, dass an jedem angebotenen DemokraTisch auch ein:e Partner:in aus unserem externen BNE-Netzwerk beteiligt wird. So hat jede:r von uns Akteurinnen und Akteure angesprochen und gemeinsam das Thema gesetzt.“

 

Ergebnisse des Tisches „Nachhaltige Lern- und Erlebnisorte in der Stadt"

Hand aufs Herz: Was braucht es zeitlich und von den Ressourcen her?

„Wenig – und das ist ganz klar der Vorteil der DemokraTische. Es braucht vor allem ein Thema, was bewegt und mit anderen besprochen werden soll. Außerdem braucht es ca. eine Stunde reiner Vorbereitungszeit (Einkauf, ggf. Vorbereitung Flipchartbogen, ggf. Materialien bestellen, Anmeldung bei der Partnerschaft für Demokratie und Tisch/Stühle organisieren).

Die Nachbereitungszeit fällt recht unterschiedlich aus – meist reicht ein Fotoprotokoll, um die wichtigsten Erkenntnisse mitnehmen zu können in den Verein, in die weitere Arbeit oder in die Weiterentwicklung von Strategien und Ideen. Wir haben mit Kurzauswertungen gearbeitet, die wir dann in die Gespräche unserer AG BNE mitgenommen und diskutiert haben.“

Welche Personen bzw. Institutionen waren eingebunden?

„Die Partnerschaft für Demokratie Greifswald ist die koordinierende Stelle, bei der erst mal alle Tische und Themen angemeldet werden. Diese übernimmt auch den Großteil der Öffentlichkeitsarbeit zu den Tischen. Darüber hinaus bindet jede:r Gastgeber:in eines Tisches diejenigen ein, die er bzw. sie möchte oder braucht, also z. B. bestimmte Verantwortliche oder engagierte Menschen und Vereine, die sich ebenfalls mit der Thematik beschäftigen.

Bei unseren sechs DemokraTischen waren die folgenden Akteurinnen und Akteure eingebunden: Die Abteilungen Verkehrsplanung, Umwelt, Schule, die Stadtbibliothek und das Beauftragtenbüro aus der Stadtverwaltung. Dazu das Programm „Vorpommern-Connect“ des Landkreises. Unterstützt wurden wir vom ADFC, von der Greifswalder Agrarinitiative, Wildbienenexperten/Imkern und den Organisationen QUBE – Queere Bildungs- und Antidiskriminierungsarbeit M-V und Weltladen e.V.“

Welches Feedback kam von den Bürger:innen?

„Überwiegend positiv – vor allem kam gut an, dass Menschen aus der Stadtverwaltung direkt mit den Bürger:innen auf der Straße ins Gespräch kommen wollten und offen für Ideen und Wünsche waren. Das stärkt auch insgesamt eine positive Wahrnehmung der Verwaltung in der Bevölkerung. Die eher kritischen Rückmeldungen waren inhaltlicher Art und konnten im Gespräch gut aufgefangen werden. Zum Format selbst haben wir keine Kritik erhalten sondern eher die Anregung, es zu verschiedenen Uhrzeiten anzubieten.“

Was nehmen Sie aus der Auflage 2022 selbst mit?

„Man sollte immer eine Schlechtwetter-Variante in Petto haben!“ (lacht)

Was ist in 2023 geplant? Was ändert sich?

„Wir wollen auf jeden Fall erneut DemokraTische zum Thema BNE und Nachhaltigkeit anbieten. Das Format soll ebenfalls bleiben, die konkrete Planung haben wir allerdings noch nicht begonnen. Sicher werden wir neue Nachhaltigkeitsthemen einbinden und ggf. die externen Netzwerkpartner:innen einladen, eigene Tische anzubieten. Bei einigen Themen ist auch eine Fortführung denkbar, weil es mittlerweile Entwicklungen gab, z. B. zu den Lern- und Erlebnisorten in Greifswald. Ziel in 2023 könnte sein, auf diese (erneut) aufmerksam zu machen und ggf. zu einer anderen Fragestellung mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“

Die 17 Nachhaltigkeitsziele zur Selbstverortung

Was raten Sie anderen Kommunen, die auch Interesse an so etwas haben, aber keine Partnerschaft für Demokratie oder ähnliche Organisation vor Ort haben?

„Das Format der DemokraTische kann auch ohne solche Voraussetzungen einfach und kostengünstig umgesetzt werden. Neben den schon oben erwähnten zeitlichen Ressourcen braucht es eigentlich nur 20 bis 30 Euro für (nachhaltige) Getränke und Kekse und gegebenenfalls für etwas Material – was aber meist in den Stadtverwaltungen ohnehin vorhanden ist. Ein DemokraTisch kann gut z. B. mitten im Wochenmarkt integriert werden, um Gespräche mit den Menschen vor Ort führen zu können. Theoretisch braucht es noch nicht einmal viel Öffentlichkeitsarbeit vorab, weil es darum geht, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die ohnehin draußen unterwegs sind.“

Verraten Sie uns Ihren „Geheimtipp“ um BNE allgemein vor Ort zu fördern?

„Zuhören. Gespräche führen. Informieren.

Auch wichtig: Den Aktiven im Ort Hilfestellung geben, wo sie diese brauchen, aber auch vermitteln, wenn es für eine Klima-Veranstaltung von Ehrenamtlichen bei der Veranstaltungsgenehmigung durch die (eigene) Verwaltung hakt. Wenn wir den Engagierten vor Ort helfen, helfen sie auch uns – und wir brauchen jede Unterstützung auf dem Weg zu einer nachhaltigen und lebenswerten Gesellschaft.“

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Claudia Kowalzyck

Claudia Kowalzyck

Beauftragte für Gleichstellung, Familie und Senioren der Universitäts- und Hansestadt Greifswald
| Oliver Wolff
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